Seelenglanz
heißen, dass er die Wahrheit gesagt hatte und sie im Begriff war, einen Pakt mit dem Teufel – oder zumindest mit einem seiner Gesandten – zu schließen?
»Wie hast du das gemacht?« Ihre Stimme klang heiser und unsicher. Konnte er ihre Wünsche wirklich wahr werden lassen?
»Das ist Teil des Jobs.«
»Kannst du …« Sie würgte die Worte hervor wie Maden, die sich anschickten, in ihren Rachen zurückzukriechen. »Kannst du das wirklich?«
»Was? Verträge in meiner Hand erscheinen lassen?«
»Die Sache mit dem Pakt.«
»Du hast mir nicht geglaubt.« Er wirkte weder ärgerlich noch überrascht. Stattdessen zuckte er die Schultern. »Die meisten sind erst einmal skeptisch.«
»Dann machst du das öfter?« Was für eine bescheuerte Frage! Er hatte doch selbst gesagt, dass das seine Aufgabe war. »Also, ich meine, Seelen … äh … kaufen?«
»Nicht kaufen – wir tauschen. Immerhin bekommst du eine nicht unerhebliche Gegenleistung.«
Jules spürte, wie ihr übel wurde. Ob aus Angst oder vor Aufregung angesichts der Möglichkeiten, die sich ihr mit einem Mal zu eröffnen schienen, konnte sie nicht sagen. »Kann ich damit meine Mom retten?«
»Deine Mom, deine Schule.« Er zuckte die Schultern. »Du könntest dir sogar wünschen, den Abschluss bereits in der Tasche zu haben. Wie wäre es mit einer strahlenden Zukunft? Eine, in der deine Mutter gesund ist, du einen tollen Job hast, wenn du willst, sogar einen Ehemann und Kinder.«
Sie könnte das Leben haben, das sie sich immer erträumt hatte. Sie brauchte keinen Mann, und auch den Job würde sie finden, nachdem sie ihren Abschluss gemacht hatte. Wenn sie sich jedoch ihre Geldsorgen und die Krankheit ihrer Mutter ins Nichts wünschen konnte, war das mehr, als sie je zu hoffen gewagt hatte. Dass sie eher bereit war, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen, als mit Hudson James ins Bett zu steigen, sprach nicht gerade für ihren früheren Arbeitgeber.
Es gab allerdings vorher noch ein paar Details zu klären. »Wie lebt es sich ohne Seele?«
»Du wirst nicht ohne sie leben müssen«, sagte er. »Wir nehmen sie erst am Ende.«
»Am Ende? Du meinst, wenn ich tot bin?«
Shawn nickte.
Das klang fair. Abgesehen davon hatte sie nichts zu verlieren. Wenn sie sein Angebot ausschlug, wäre ihr restliches Leben ohnehin die Hölle auf Erden. »Also gut, aber wir machen es mit meiner Nadel.«
»Damit kann ich leben.«
Sie schob ihren Pullover ein Stück nach oben und löste die Sicherheitsnadel aus dem Hosenbund. Als sie aufsah, um ihm die Nadel zu reichen, stand zwischen Shawn und ihr ein Mann. Er drängte sich nicht etwa zwischen sie, sondern tauchte von einem Moment auf den anderen vor ihr auf.
Aus dem Nichts!
Wie das Pergament.
»Sieh zu, dass du wegkommst«, rief er ihr zu, dann fuhr er herum und stieß Shawn von ihr fort. Der Unterhändler des Teufels machte zwei Schritte zurück, dann hatte er sein Gleichgewicht wiedererlangt. Doch der andere ließ nicht von ihm ab. Mit einem Schritt setzte er nach und zischte dem anderen etwas ins Ohr, was Jules nicht verstehen konnte. Ein Schwert erschien in seiner Hand. Kälte stieg in dampfenden Nebelschwaden von einer Klinge empor, die so hell und kalt glitzerte, als wäre sie aus Eis.
Jules stand wie versteinert da und starrte auf den Kerl, der Shawn immer weiter zurückdrängte. Er hob das Schwert und holte zu einem kraftvollen Hieb aus, doch Shawn Raziel war fort.
Mit einem Zischen ließ der Neuankömmling seine Klinge sinken, einen Atemzug später war sie fort, im selben Nichts verschwunden, aus dem sie gekommen war. Ein selbstgefälliges Grinsen lag auf seinem Gesicht, als er sich Jules zuwandte. Heilige Scheiße! Es war der Kerl, der sich heute Mittag in die Küche verirrt hatte! Zumindest hatte er behauptet sich verirrt zu haben.
Ohne den Blick von seinen spöttisch funkelnden Augen zu nehmen, wich Jules langsam zurück.
»Du könntest dich wenigstens bedanken.«
Dieser Kerl hatte sie um die einzige Möglichkeit gebracht,noch etwas an ihrer Misere zu ändern, und dafür sollte sie ihm danken? Sie war erledigt! Es war vorbei. Jede Chance auf eine Zukunft und auf eine gesunde Mutter war dahin!
Ihr Gegenüber musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Alles in Ordnung mit dir?« Er kam einen Schritt näher. Einen Moment lang sah es so aus, als wollte er die Hand nach ihr ausstrecken, stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust. »Dieser Trottel kann ziemlich einschüchternd sein, aber ich
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