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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Scharade ein und machte sich vom Acker.
    Ich spielte mit dem Gedanken, dem Nephilim zu folgen, hielt es jedoch für sinnlos. Der Junge war so zornig gewesen, dass es mir vermutlich nicht gelingen würde, zu ihm durchzudringen. Sobald seine Wut ein wenig verraucht war, würde ich einen weiteren Versuch unternehmen. Vielleicht morgen. Oder übermorgen.
    Andererseits konnte es mir herzlich egal sein, in welcher seelischen Verfassung sich der Nephilim befand. Wenn ich jetzt nach Hause zurückkehrte und Akashiel erklärte, warum ich mein Vorhaben aufgeschoben hatte, würde er mir kein Wort glauben. Er würde annehmen, dass ich ihn nur hinhalten wollte, und mir so lange auf den Sack gehen, bis ich mich um den Jungen kümmerte. Darauf hatte ich keine Lust.
    Akashiel hatte mir aufgetragen, Jules zu sagen, was er war. Er hatte mich weder beauftragt, es schonend zu tun, noch hatte er von mir verlangt, dafür zu sorgen, dass der Nephilim den Job bei den Schutzengeln annahm. Nichts hinderte mich daran, meinen Auftrag sofort zu erledigen. Wenn der Junge mir nicht zuhören wollte, wäre meine Aufgabe umso schneller erledigt.

8
    Nach Kyriels Auftritt im Park schwankte Shandraziel noch immer zwischen Verwunderung und Ärger, als er sich dem Morgenstern näherte, der am anderen Ende der Höhle auf seinem hochlehnigen Stuhl thronte. Im ersten Moment war er stinksauer gewesen, dass ihm dieses Arschloch das Geschäftversaut und ihn um die Seele der Nephilim gebracht hatte. Je länger er jedoch darüber nachdachte, desto mehr begriff Shandraziel, welches Geschenk Kyriel ihm gemacht hatte – ein Geschenk, das er nicht zurückweisen würde.
    Sobald ihm klar geworden war, welch mächtige Waffe ihm Kyriel in die Hand gegeben hatte, war er hierhergekommen, getrieben von dem Wunsch, diese Waffe gegen Kyriel zu richten und ihm das Hirn rauszublasen. Natürlich nur metaphorisch.
    Mit der Kraft eines Gedanken hatte er sich in die lange Höhle mit der hohen Kuppeldecke versetzt, in der der Morgenstern seine offiziellen Geschäfte führte. Die Höhle war Teil eines größeren Höhlensystems, das in den Tiefen eines ruhenden Vulkans lag. Wie alle Gefallenen war Shandraziel in der Lage, sich hierher zu versetzen, ohne zu wissen, wo hierher eigentlich war. Die Macht des Morgensterns verhinderte, dass er oder einer seinesgleichen das herausfinden konnte.
    Für Shandraziel machte es keinen Unterschied, ob es sich dabei um den Mount Rainier vor den Toren Seattles oder um einen Vulkan auf einer beliebigen Südseeinsel handelte. Dies war das Reich des Morgensterns. Ein Ort, der so sehr von seiner Stärke erfüllt war, dass Shandraziel glaubte, ihr Echo bis in die letzte Faser seines Körpers zu spüren. Hier wirkten besondere Kräfte, die den Morgenstern unverwundbar machten und ihm unermessliche Macht verliehen.
    Shandraziel wusste nicht, wie sein Herr dieses geschützte Refugium erschaffen hatte, er argwöhnte jedoch, dass es etwas mit den Kristallen zu tun haben musste, die zu Tausenden die schroffen schwarzen Felswände durchzogen und mit ihrem silbernen Schimmer die Höhle erleuchteten. Vermutlich hatte der Morgenstern einen Teil seiner Kraft in dieKristalle fließen lassen, damit diese seine Macht reflektierten und verstärkten.
    Der Geruch von Schwefel stieg ihm in die Nase. Die Luft war aufgeheizt von den Lavaströmen, die zäh an den Wänden herabflossen und Shandraziel den Schweiß auf die Stirn trieben. Ungeduldig bahnte er sich seinen Weg an den Gefallenen vorbei, die gekommen waren, um Bericht zu erstatten. Es war riskant, sich vorzudrängen, doch seine Neuigkeiten waren das Risiko wert. Er trat vor den Thron und beugte das Knie vor seinem Herrn.
    Der Blick des Morgensterns bohrte sich in ihn, bereit, ihn zu versengen. »Ich glaube nicht, dass du bereits an der Reihe bist.«
    Shandraziel senkte respektvoll das Haupt. »Ich bringe wichtige Nachrichten. Über einen Verräter.« Er spürte, wie sich eine Kuppel der Stille über ihn und den Morgenstern senkte – ein Schutz, der verhindern sollte, dass andere ihr Gespräch mit anhören konnten. Die Höhle war voller Gefallener, in der Kuppel jedoch waren sie allein, die Hitze aber vermochte auch sie nicht auszusperren. Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf Shandraziels Stirn und ließ ihn wünschen, der Morgenstern würde nicht in diesem Höllenloch Hof halten. Natürlich würde er seine Leute nicht in seinem Zuhause empfangen, einer prachtvollen Villa, deren Standort ein ebenso großes

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