Seelenglanz
ob du dich entscheidest, dich uns anzuschließen oder all das zu vergessen.«
»Sind alle Engel wie du?«
»Ich bin wohl ziemlich einzigartig.«
Da ich wusste, dass Shandraziel ihre Seele nicht so schnell aufgeben würde, legte ich einen Schleier über ihre Signatur, um zu verhindern, dass er sie aufspüren konnte. Dann machte ich mich aus dem Staub.
14
Zwei Tage später nahm Japhael Kontakt zu mir auf. Es war bereits Abend, als ich sein Anklopfen spürte, mit dem er mich auf sich aufmerksam machte. Ich war versucht ihn zu ignorieren, da ich ihn auf diese Weise jedoch nicht loswerden, sondern das Unvermeidliche nur hinauszögern würde, öffnete ich meinen Geist, um zu hören, was er wollte.
Er hielt sich nicht lange mit einer Begrüßung auf. Folge meiner Signatur. Selbst jetzt, da seine Stimme nur in meinen Gedanken erklang, war sie schneidend und unfreundlich. Der Kerl liebte mich wirklich.
Warum?
Es gibt Neuigkeiten .
Hatte er etwa einen Weg gefunden, mich loszuwerden? Nach der Aktion mit dem manipulierten Auftrag war mein Vertrauen zu ihm – Vorgesetzter hin oder her – alles andere als grenzenlos. Da ich nicht wusste, ob er mich vielleicht in einen Hinterhalt locken wollte, ließ ich mein Schwert in der Hand erscheinen. Nebel stieg von der todbringenden Klinge auf, hervorgerufen vom Temperaturunterschied zwischen dem Eis, aus dem die Waffe geschaffen war, und der wohligen Wärme in meinem Apartment. Hier, in der vertrauten Umgebung meiner vier Wände, erschien mir die Waffe vollkommen fehl am Platz. Immerhin flegelte ich nicht mehr auf der Couch, die Beine auf den niedrigen Tisch vor mir gelegt, sondern war aufgestanden, ehe ich die Klinge beschworen hatte.
Die meisten Engel benutzten Flammenschwerter oder Flammenspeere, heißes Zeug, das vermutlich die Hölle symbolisieren sollte, in die sie meinesgleichen mit einem Streich ihrer Klinge schicken wollten. Auch ich hatte einst mit einem Flammenschwert gekämpft, es jedoch nicht längerbeschworen, nachdem ich zum Gefallenen geworden war. Um ein Zeichen zu setzen, kämpfte ich seither – wie die meisten Gefallenen – mit einer Klinge aus Eis. Im Laufe der Jahrtausende war uns die Fähigkeit abhandengekommen, die Flammen heraufzubeschwören. Soweit ich wusste, war Luzifer der Einzige, der gleichzeitig mit zwei Schwertern kämpfte. Feuer und Eis im Kampf vereint, ein Symbol dafür, dass er glaubte, eines Tages in den Himmel zurückzukehren und die Dinge nach seinem Gutdünken zu verändern.
Eis war nicht verboten, und selbst wenn es das gewesen wäre, hätte ich mich geweigert, auf meine gewohnte Waffe zu verzichten, nur weil ich jetzt ein Schutzengel war. Die Kälte, die die Klinge ausstrahlte, erinnerte mich daran, dass die Engel längst nicht jene warmherzigen Kreaturen waren, für die die Menschen sie hielten (zumindest jene, die noch an sie glaubten oder zu viele Fantasyfilme sahen). Einige der Engel besaßen ein Herz aus Eis.
Japhael war einer von ihnen.
Ich drehte das Schwert in meiner Hand und ließ meinen Blick an der Klinge entlangwandern. Ganz gleich was Japhael vorhatte, ich war vorbereitet.
Bevor er ungeduldig wurde, folgte ich seiner Signatur und versetzte mich an den Ort, an den sie mich führte. Ich hatte mit einem schmutzigen Hinterhof gerechnet oder einem Kellerloch, in dem niemand den Kampflärm hören konnte. Mich auf einer Wiese mitten im Nirgendwo wiederzufinden, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen.
Im Westen erhob sich der Mount Rainier in den nächtlichen Himmel, der schneebedeckte Gipfel schimmerte in geisterhaftem Blau im fahlen Schein des Mondes. Die Gegend um mich herum war hügelig und bewaldet. So wie es aussah, befanden wir uns irgendwo innerhalb der Grenzen des Mount-Rainier-Nationalparks. Die Luft war klar unddeutlich kälter als in der Stadt, jeder Atemzug ein nebliges Wölkchen, das sich dampfend in die Luft erhob. Es gab keine Straße, keine Laternen und auch keine beleuchteten Häuser in der Nähe. Nur den Mond, Japhael und drei weitere Engel, die mich anstarrten, als wäre ich der Leibhaftige persönlich.
Einen der drei kannte ich vom Sehen: Ruchiel, ein pausbäckiger Barockengel, der mit seinen Speckröllchen und dem Mehrfachkinn ein perfektes Modell für die properen Engel gewesen wäre, die man auf den Gemälden der Menschen so oft auf Wolken herumsitzen sah. Zumindest wenn man das goldene Engelshaar auf den Gemälden gegen die schüttere gelbe Wolle tauschte, deren Bändigung definitiv als
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