Seelenglanz
töten!«, rief ich Akashiel zu, der seinen Schreibtisch umrundet hatte, das lodernde Schwert noch immer in Händen. »Wir brauchen ihn lebend!«
Der Nephilim riss das Messer aus der Tischplatte, fuhr herum und ging erneut auf mich los. Fluchend duckte ich mich unter dem Angriff weg. Meine Finger juckten, und ich war nur einen Herzschlag davon entfernt, eine Waffe zu rufen und den Kerl zu erledigen. Aber er war die Antwort! Er war der Grund, warum die Gefallenen uns überhaupt hatten angreifen können, und womöglich wusste er noch mehr.
Akashiel näherte sich dem Nephilim mit erhobener Waffe. Die Flammen, die sein Schwert einhüllten, zuckten und zischten, als wären sie lebendige Wesen, hungrig nach Blut.
»Lebend«, erinnerte ich ihn und wich einem weiteren Vorstoß des Nephilim mit einem Seitwärtsschritt aus. Als der Arm mit der Klinge an mir vorbeifuhr, packte ich ihn und schlug so hart dagegen, dass es ihm die Waffe aus der Hand riss. Klirrend fiel das Messer auf das Parkett, doch der entwaffnete Nephilim wehrte sich noch immer. Er kämpfte gegen meinen Griff an, wand sich und zog und zerrte, bis er mir zu entgleiten drohte. Mir einem Ruck gab ich ihn frei, holte aus und drosch ihm die Faust ins Gesicht. Wie ein gefällter Baum kippte er zu Boden.
Ich trat das Messer fort und stieß den Nephilim mit der Fußspitze in die Seite. Als er sich nicht rührte, drehte ich mich zu Akashiel herum. »Hast du seine Augen gesehen?«
»Seelenlos.« Akashiel senkte sein Schwert. Mit einem Mal kam ich mir ziemlich lächerlich vor, dass ich gedacht hatte, er wolle mich umbringen. Es war mein bloßer Überlebensinstinkt gewesen, der mich hatte ausweichen lassen. Wer weiß, womöglich hätte mich die Klinge des Nephilimsonst getroffen. Misstrauen mochte manchmal unangebracht oder sogar lächerlich sein, aber es hielt einen auch am Leben.
»Was machen wir jetzt mit ihm?«
Akashiel dematerialisierte seine Waffe und ging neben dem Nephilim in die Hocke. Mit einem schnellen Griff drehte er ihn auf den Bauch und zog ihm die Arme auf den Rücken, als wollte er ihm Handschellen anlegen. Als er seine Hände fortnahm, rutschten die Arme des Nephilim nicht zur Seite. Ebenso wie der Rest von ihm wurden sie von einem Bann gehalten, der zwar nur in seinem Geist existierte, seinen Körper aber dennoch fesselte. Der Nephilim würde sich keinen Millimeter rühren, solange Akashiel es ihm nicht gestattete.
»Sobald er aufwacht, verhören wir ihn.« Akashiel erhob sich und wandte sich mir wieder zu. »Kannst du dir das erklären?«
»Sind wir immer noch in der ›Ich weiß, dass du dahintersteckst, Kyriel, und jetzt erklär mir, wie du das gemacht hast‹-Phase oder fragst du mich, weil du meine Meinung hören willst?«
»Deine Meinung.« Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und setzte sich, ohne dem reglosen Nephilim, der sein Parkett zierte, weitere Beachtung zu schenken.
Ich blieb so stehen, dass ich zum einen Akashiel ansehen konnte, zum anderen aber den Nephilim nicht vollends aus den Augen verlor. Falls er irgendetwas versuchte, sollte es nicht noch einmal hinter meinem Rücken stattfinden.
Ich nahm mir die Zeit, über den Nephilim nachzudenken und darüber, was der Angriff und die Leere in seinen Augen zu bedeuten hatten. Ganz gleich, wie ich es auch drehte und wendete, ich kam immer zu demselben Ergebnis.
»Dein Assistent hat seine Seele verkauft«, sagte ichschließlich. »Er wusste von meinem Treffen mit Japhael und er kannte auch den Ort und die genaue Zeit. Ich würde sagen, hier haben wir unseren Verräter.«
»Miles war noch nicht wiedergeboren. Wenn Luzifer …«
»Ich glaube nicht, dass Luzifer dahintersteckt«, unterbrach ich ihn. »Einen derartigen Angriff würde er bestenfalls zur Ablenkung unternehmen, wenn er gleichzeitig einen größeren Schlag durchführen will. Die Pleite mit den Riesen hat ihm einen herben Rückschlag beschert. Er ist geschwächt.« Meine Worte mochten den Morgenstern schwach darstellen, aber das konnte uns und unserer Sache nur recht sein. Wenn sie uns unterschätzten, würde ihre Aufmerksamkeit immer weiter nachlassen und irgendwann hätten wir sie!
»Wenn wer auch immer dahinterstecken mag«, nahm Akashiel den Faden wieder auf, »seine Seele in Besitz genommen hat, muss er ihn vorher umgebracht haben. Wer weiß, wie lange er schon in diesem Zustand ist, ohne dass ich es bemerkt habe?«
»Ist dir gar nichts aufgefallen?«
Er schüttelte den Kopf. Ihm war anzusehen, dass er sich
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