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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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über seine Ahnungslosigkeit ärgerte, rühmte er sich doch immer wieder einer besonderen Empathie, die er auch mir einzuhämmern versuchte. Geholfen hatte sie ihm in diesem Fall nicht.
    Akashiel schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie zum Teufel haben sie es geschafft, einem Nephilim die Seele abzuschwatzen?«
    »Miese Arbeitsbedingungen?«

16
    Nachdem Kyriel sich in jener Nacht verabschiedet hatte, war Jules noch lange Zeit wach geblieben. Sie hatte sich mit einer Kanne Kaffee aufs Dach zurückgezogen und versucht, ihre rasenden Gedanken zur Ruhe zu bringen. Es gab so vieles, worüber sie nachdenken sollte, doch statt sich mit dem zu befassen, was sie erfahren hatte, oder mit der Frage, wie es nun weitergehen sollte, waren ihre Gedanken immer wieder zu Kyriel zurückgekehrt. Ganz gleich, wie sehr sie sich auch anstrengte, sie war das Bild einfach nicht losgeworden, wie er mit ausgebreiteten Schwingen dagestanden und sich ihren Blicken ausgeliefert hatte.
    Es war bereits hell geworden und die Stadt unter ihr längst zum Leben erwacht, als sie in die Wohnung zurückgekehrt war und Joe angerufen hatte, um sich krankzumelden. Danach war sie ins Bett gegangen und hatte die nächsten Stunden in einer Mischung aus Grübeln und Dösen verbracht, ehe ihr endgültig die Augen zugefallen waren und sie bis zum Morgen durchgeschlafen hatte.
    Der neue Tag zog so unbemerkt an ihr vorüber, als läge er hinter dichtem Nebel verborgen. Sie war um neun aus dem Bett gekrochen, hatte geduscht und gefrühstückt und war zu ihrer Schicht in Joeys Grill gefahren. In ihrer Tasche das Geld, das Kyriel ihr gegeben hatte. Sie würde es später zur Bank bringen. Einen Scheck für das Schulgeld hatte sie bereits ausgestellt und auf dem Weg zur Arbeit im Büro der Schulverwaltung abgegeben.
    Sie wusste immer noch nicht, was sie von dem Geld halten sollte, das Kyriel ihr förmlich aufgedrängt hatte. Ganz gleich, welche Gründe er angab, es fiel ihr schwer, es nicht als Almosen zu betrachten. Trotzdem hatte sie ihren Stolz hinuntergeschluckt und es angenommen. Himmel, sie warbereit gewesen, ihre Seele für ihre Zukunft zu verkaufen, hätte sie da ein bisschen geschenktes Geld ablehnen sollen, nur weil ihr Stolz ihr im Weg war?
    Auch wenn es ihr zu schaffen machte, das Geld anzunehmen, so war das noch ihr geringstes Problem. Den ganzen Tag über ging sie in Gedanken durch, was Kyriel und Rachel ihr erzählt hatten. Sie wälzte das alles hin und her wie einen Teig, der erst in Form gebracht werden konnte, wenn man ihn lange genug geknetet hatte. Das Einzige, was in ihren Gedanken immer mehr Form annahm, war ihre Verwirrung.
    Vorletzte Nacht war es Kyriel gewesen, der ihr Halt gegeben hatte, wann immer sie drohte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Es war seltsam, denn er war nicht einmal sonderlich freundlich gewesen, doch gerade seine Ruppigkeit und sein Sarkasmus hatten sie im Hier und Jetzt verankert. Das war etwas, womit sie umgehen und an das sie sich klammern konnte, während er ihr restliches Weltbild mit seinen Erläuterungen nach und nach in Einzelteile zerlegt hatte.
    Überhaupt war Kyriel ein komischer Kauz, der so gar nicht zu ihrer bisherigen Vorstellung von gütigen Engeln passte. Die ganze Art und Weise, wie Akashiel und er miteinander umgegangen waren, war seltsam. Trotzdem – oder vielleicht deshalb – konnte sie nicht aufhören, über ihn nachzudenken.
    In den endlosen Stunden, in denen sie ihrer Arbeit nachging, suchte sie immer wieder nach einer Möglichkeit, ihn als Lügner zu entlarven. Ihn, Rachel und Akashiel. Aber ganz gleich, wie sie es auch drehte und wendete und welche Erklärungen – von Hypnose bis hin zu einem akuten Anfall von Wahnsinn – ihr auch einfallen wollten, tief drinnen wusste sie, dass es nichts als die Wahrheit gewesen war.
    Ihre Arbeit litt unter den Grübeleien, sie hatte bereits dasdritte Steak verbrannt auf einen Teller gepackt und weitergegeben, ohne den erbärmlichen Zustand des Fleisches überhaupt zu bemerken, als Joe sie darauf ansprach. Sie musste ihm versichern, dass sie in Ordnung sei, und versprechen, dass das nicht noch einmal vorkommen würde. Für den Rest ihrer Schicht konzentrierte sie sich so sehr auf das Fleisch, dass sie ihre Gedanken erst wieder auf Kyriel und die ganze Sache mit den Engeln richtete, als sie ihre Schürze an den Nagel gehängt und sich umgezogen hatte.
    Als Jules das Restaurant verließ und sich auf den Weg zur Bank machte, wurde es bereits dunkel. Sie

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