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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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zu sehen glaubte, aber es war mir unangenehm, nachzufragen. Zum Glück verfolgte auch Jules das Thema nicht weiter.Was mich auf der anderen Seite fast schon wieder ärgerte. Sie knallte mir einen Brocken hin, gab mir zu denken und ließ mich dann mit meinen Gedanken allein.
    »Warum erzählst du mir nicht ein wenig mehr über dich«, schlug ich vor. Solange sie redete, musste ich zumindest nicht weiter über mich nachdenken.
    Aber Jules enttäuschte mich. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Du hast meine Mutter gesehen, du kennst meinen Job, du weißt von meiner Schule. Ende der Geschichte.«
    Zumindest Ende der Kurzfassung. Man musste kein Genie sein, um zu merken, dass sich hinter diesen paar Sätzen noch so viel mehr verbarg. Sie wollte nicht darüber sprechen, aber ich war neugierig. Ich griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. »Es ist in Ordnung, wenn du nicht mehr dazu sagen willst. Das akzeptiere ich.« Ich konnte das, was ich wissen wollte, auch auf andere Weise in Erfahrung bringen. Die Berührung ihrer Hand war der erste Schritt dazu. Jetzt musste ich nur noch in ihre Gedanken eindringen. Dort würde ich alles über sie erfahren. Wer sie war, was sie dachte, was sie mochte und was nicht. All die persönlichen Dinge, von denen man viele vermutlich nicht einmal seinem besten Freund anvertraute.
    Ich streckte meinen Geist aus – und zögerte.
    Plötzlich erschien es mir falsch, mir etwas von ihr zu nehmen, was sie mir nicht freiwillig geben wollte. Ich zog meine Hand zurück und widmete mich wieder meinem Dessert.
    Nachdem wir gegessen hatten, hinterließ ich ein ordentliches Trinkgeld auf dem Tisch und führte Jules zum Wagen zurück. »In Ordnung«, sagte ich, sobald wir den Parkplatz verlassen und uns in den Verkehr eingereiht hatten. »Worauf hast du jetzt Lust? Ganz gleich, was es ist und was es kostet!«
    »Pirate’s Cove!«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen.
    »Du willst Minigolf spielen?«
    »Adventure Golf«, verbesserte sie mich.
    »Das ist dasselbe, nur mit anderem Ambiente.«
    »Ach, komm schon, lass uns eine Runde spielen.«
    Sie war so begeistert, dass ich ihr den Wunsch nicht abschlagen konnte. So kam es, dass wir kurz darauf mit Schlägern in der Hand vor der ersten Minigolfbahn standen. Es war mittlerweile dunkel geworden, aber noch immer angenehm warm. Im Schein der Flutlichter sahen die Plastikpiraten und Plastikboote, die die auf einem künstlichen Felsen errichtete Anlage in ein karibisches Seeräuberparadies verwandelten, fast schon echt aus. Die Bahnen waren so geschickt auf verschiedene Ebenen verteilt, immer wieder durch künstlichen Stein, kleine Höhlen, Büsche oder Teiche unterbrochen, dass man von den anderen Spielgruppen, die auf dem Gelände unterwegs waren, kaum etwas mitbekam. Hätte mir vorher jemand gesagt, dass Minigolf Spaß machen konnte, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Aber wir hatten tatsächlich Spaß. Jules spielte erstaunlich gut. Sie brauchte ein paar Schläge, um warm zu werden, dann allerdings spielte sie mich mühelos an die Wand.
    Als ich zehn Schläge für eine einfache Bahn brauchte, die sie in drei Anläufen schaffte, legte sie sich lässig den Schläger über die Schulter und sagte grinsend: »Du spielst wirklich beschissen.«
    »Hey, dafür kann ich fliegen.«
    »Ich kann Schwäne aus Papier falten.« Sie legte den Ball am nächsten Abschlag zurecht, holte aus und schlug ein Hole-in-one. »Oh, und gut Minigolf spielen kann ich auch.«
    »Ich kann mich versetzen«, legte ich nach.
    »Und ich ertrage die Gegenwart eines selbstverliebten Engels.«
    »Okay, du hast gewonnen.«
    Wir arbeiteten uns von Bahn zu Bahn voran, zogen uns gegenseitig auf und fischten meine Bälle auf, die ich regelmäßig in den Zierteichen versenkte statt im gedachten Ziel. Unter der Normalität dieses Abends konnte ich beobachten, wie Jules immer mehr aufblühte. Zum ersten Mal schien sie ihre Sorgen und ihren Alltag vergessen zu haben und das Hier und Jetzt zu genießen.
    Nachdem wir einmal durch waren, verlangte ich Revanche und wir machten uns zur nächsten Runde auf. Beim dritten Durchgang lehnte Jules an einem künstlichen Felsen und hielt sich vor Lachen den Bauch, als ich es immer noch nicht schaffte, den verfluchten Ball auf der Bahn und von den Teichen fernzuhalten. Mittlerweile war es spät geworden und mir entging nicht, dass sie immer öfter ein Gähnen unterdrücken musste.
    Ich schüttelte das Wasser vom Ball und wischte ihn an

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