Seelenglanz
so etwas an, wenn du ein Date hast?«
Sie zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ich habe eine kranke Mutter, einen Zehnstundenjob und die Abendschule. Wo, bitte schön, soll da noch Zeit für ein Date sein?«
»Hast du nichts anderes als diese scheußlichen Schlabbersachen eingepackt?«
Sie funkelte mich böse an. »Zu deinem Glück habe ich tatsächlich noch was anderes dabei.« Wütend schnappte sie sich ein paar Sachen aus ihrer Reisetasche, die noch unausgepackt auf der Kommode stand, und verschwand damit im Bad. Sie gab sich alle Mühe, die Tür hinter sich zuzuknallen, doch die Tür war aus so leichtem Material gefertigt, dass sie vom Luftwiderstand gebremst wurde und lediglich ein gedämpftes Klapp von sich gab. Als Jules schließlich zurückkehrte, trug sie ein dunkelrotes Trägertop, das ihren Teintund ihre Augen zur Geltung brachte, ein Paar enge Jeans und Segeltuchschuhe.
»Zufrieden?«
Sie sah aus wie ein anderer Mensch. Wie eine normale Touristin, die hier war, um Spaß zu haben und ein paar schöne Stunden zu erleben. Und die würden wir haben. »Zufrieden«, stimmte ich zu.
Ein paar Minuten später saßen wir im Wagen und fuhren den International Drive entlang. Ich hatte mir überlegt, sie in eines der noblen Restaurants zum Essen und später noch in eine der Shows einzuladen, von denen ich in den Prospekten gelesen hatte.
»Hast du Hunger?«, erkundigte ich mich, ohne sie in mein Vorhaben einzuweihen.
»O ja, wie ein Bär!«
Kunststück, wenn sie sich nichts hatte aufs Zimmer kommen lassen – und bei ihrer Sparsamkeit bezweifelte ich das nicht –, hatte sie seit dem Snack im Flugzeug nichts mehr gegessen. Wir fuhren gerade an einer Reihe von Hotels vorüber, als dahinter das rot-gelbe Neonschild eines Golden Corral auftauchte.
»Lass uns dort hingehen!«
Das war nicht ganz das, was ich mir vorgestellt hatte, und ich war mir sicher, dass sie es nur wegen der günstigen Preise ausgesucht hatte. Als ich ihr jedoch vorschlug, uns lieber etwas Gediegeneres zu suchen, schüttelte sie den Kopf.
»Ich brauche keinen teuren Firlefanz.«
»Der Firlefanz geht auf mich.«
»Und auch kein Almosen.«
Nicht die Diskussion schon wieder. »Das ist es ohnehin nicht. Ich setze es als Reisespesen ab.«
»Sieh mich doch an, Kyriel«, sagte sie dann. »Ich bin gar nicht der Typ für einen teuren Nobelschuppen. Abgesehendavon, dass ich dafür wohl kaum passend angezogen bin, würde ich mich dort auch gar nicht wohlfühlen.«
Das konnte ich verstehen. Mir persönlich waren Läden, in denen man gezwungen war, Sakko und Krawatte zu tragen, auch nicht geheuer. Ich hatte ihr eine Freude machen wollen, aber offensichtlich konnte ich in dieser Hinsicht zwei Gänge zurückschalten und weniger pompös denken.
Keine Viertelstunde später saßen wir vor vollen Gläsern und noch volleren Tellern in einer gemütlichen Nische im Golden Corral und genossen das wirklich gute Essen. Während ich mich für ein riesiges Steak mit Ofenkartoffel entschieden hatte, lag auf Jules’ Teller eine wilde Mischung aus asiatischen, mexikanischen und italienischen Köstlichkeiten, über die sie eine ordentliche Portion scharfer Salsa verteilte.
Eine Kellnerin hatte gerade unsere Softdrinks nachgefüllt, dieses Mal war ich klüger und hatte die Eiswürfel weggelassen, die meinem ersten Getränk einen aufdringlichen Chlorgeschmack verliehen hatten, als Jules ihre Gabel sinken ließ und mich ansah. »Du bist wirklich ein seltsamer Kerl.«
»Macht nichts«, gab ich zurück. »Du bist auch nicht mein Typ.«
»Nachdem das geklärt wäre, können wir uns ja wie zivilisierte Menschen benehmen, die nicht aufeinander herumhacken«, sagte sie grinsend, schob ihren leeren Teller von sich und ging zum Büfett, um sich einen Nachschlag zu holen. Dieses Mal hielt sie sich an Rippchen.
Es war seltsam, das Lokal war bis auf den letzten Platz besetzt, in den Gängen zwischen den Tischen waren ständig Menschen unterwegs auf dem Weg zum Büfett oder zurück zu ihren Stühlen, die Luft war erfüllt vom Essensgeruch und vom Summen unzähliger Unterhaltungen, und doch bekam ich kaum etwas davon mit. Meine Aufmerksamkeitgehörte Jules. Ich freute mich darüber, mit welchem Appetit sie sich über das Essen hermachte und dass es ihr hier tatsächlich zu gefallen schien. Eine Weile unterhielten wir uns über alltägliche Dinge, sie erzählte mir von ihrem Traum, nach ihrem Schulabschluss zu studieren und einen vernünftigen Beruf ausüben zu können, und
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