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Seelenglanz

Seelenglanz

Titel: Seelenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Park zu versetzen. Mit meinen Fähigkeiten wäre es ein Leichtes, die Überwachungskameras lahmzulegen und die Wachmänner dahin gehend zu beeinflussen, dass sie nichts von unserer Anwesenheit bemerkten. Auch nicht von den Fahrgeschäften, die ich in Betrieb setzen würde.
    Abgesehen davon, dass ich es mir wegen Shandraziel nicht erlauben konnte, uns zu versetzen, sah Jules mittlerweile so müde aus, dass ich die Idee verwarf. Wir würden morgen in den Park gehen, mit all den anderen Menschen, wenn der Geruch von Popcorn und Pommes die Luft erfüllte, zusammen mit dem Kreischen begeisterter Kinder. Gleich nachdem ich nach Amber gesehen und Jules sich ausgeschlafenhatte, konnten wir aufbrechen. Bei dem Pensum, das sie täglich absolvierte, war eine Nacht mit acht oder zehn Stunden Schlaf vermutlich ohnehin das größte Geschenk, das ich ihr machen konnte.
    Auf dem Rückweg zum Hotel sprachen wir nicht viel, doch es war ein angenehmes Schweigen und nicht von der Art, die man krampfhaft mit leeren Worten zu füllen versuchte. Ich begleitete Jules bis zu ihrer Zimmertür und beobachtete, wie sie die Schlüsselkarte aus ihrer Hosentasche zog.
    »Es war ein schöner Abend«, sagte sie. Ein verschmitztes Lächeln breitete sich um ihre Mundwinkel herum aus. »Aber mach dir keine Hoffnung, ich werde dich nicht hereinbitten. Nicht mal auf einen Kaffee.«
    »Du stehst wirklich zu dem, was du sagst, was?«
    »Worauf du wetten kannst.«
    »Was ist mit dem Kuss?«
    Ihre Wangen nahmen Farbe an, doch dieses Mal wich sie meinem Blick nicht aus. »Das war ein schöner Kuss«, sagte sie leise. »Trotzdem bin ich nicht der Typ, der gleich beim ersten Date mit jemandem ins Bett springt.«
    »Ha!«
    »Ha, was?«
    »Du hast es ein Date genannt!«, rief ich triumphierend.
    Das entlockte ihr ein Lächeln. »Vielleicht war es das ja wirklich.« Sie schob die Karte in den Schlitz. Mit einem vernehmlichen Klicken entriegelte das Schloss, Jules drückte die Klinke herunter und schob die Tür einen Spalt auf, bevor sie sich noch einmal zu mir umwandte. »Gute Nacht, Ky…«
    Das Licht, das vom Gang in ihr Zimmer fiel, weichte die Dunkelheit auf und lenkte meine Aufmerksamkeit auf ein Schimmern. Ich riss Jules von der Tür weg. Eine dampfendeKlinge aus Eis fuhr durch den Türspalt und durchschnitt zischend die Luft – an genau der Stelle, an der Jules einen Herzschlag zuvor noch gestanden hatte.

22
    »Weg hier!«
    Ich zog sie den Gang entlang auf das Treppenhaus zu. Bevor ich die Feuerschutztür aufriss und Jules hindurchschob, riskierte ich einen Blick zurück. So gemächlich, als hätte er alle Zeit der Welt, trat Shandraziel aus dem Zimmer. Das Schwert in der Hand, hielt er inne und sah mich an. Ein Lächeln, so kalt wie seine Klinge, lag auf seinen Lippen. Das stumme Versprechen, dass er uns kriegen würde. Dann setzte er sich in Bewegung, geschmeidig wie eine Raubkatze auf der Pirsch. Ich folgte Jules ins Treppenhaus, einen Turm aus grauem Beton, und warf die Tür hinter mir zu. Kaltes Licht aus nackten Glühbirnen löste die warme Beleuchtung des Ganges ab. Die Luft war stickig und abgestanden.
    »Wohin jetzt?« Alle Müdigkeit war aus Jules’ Zügen gewichen. Sie war blass, aber weitaus ruhiger, als ich es für möglich gehalten hätte.
    Ich warf einen Blick in den Treppenschacht. Aus einiger Entfernung vernahm ich unter uns das Klappen einer Tür. »Nach oben«, raunte ich und zog sie mit mir. Nach ein paar Stufen merkte ich, dass sie mühelos mit mir Schritt halten konnte und mein Griff sie nur aus dem Gleichgewicht zu bringen drohte. Als ich jedoch ihre Hand loslassen wollte, gab sie meine Finger nicht frei. Ich brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass sie meinen Halt brauchte – nicht körperlich, aber gefühlsmäßig.
    Unter uns hatte Shandraziel das Treppenhaus betreten. Der Schacht trug das dumpfe Echo seiner Stimme nach oben. Er sprach mit jemandem; so wie es klang, bellte er abgehackte Befehle, gefolgt von dem Geräusch schwerer Stiefel auf Beton.
    »Sie kommen näher«, rief Jules im Laufen. »Was machen wir jetzt?«
    »Rauf aufs Dach!«
    Sobald wir oben waren, konnte ich Jules packen und mit ihr davonfliegen. Sie schien meinen Plan zu erahnen, denn für einen Moment hellte sich ihre Miene auf.
    Ihre Begeisterung verflog jedoch schnell. »Sie werden uns folgen!«
    »Gefallene haben keine Flügel.«
    Das reichte, um sie anzutreiben. Schneller und schneller flogen die Stufen dahin. Wir ließen den elften und zwölften

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