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SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)

SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe)

Titel: SEELENGOLD - Die Chroniken der Akkadier (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Bay
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Knochen durchgefroren.
    In die Decke gewickelt schlurfte sie durch den Korridor und stellte beim Blick in den Spiegel fest, dass die Adern unter ihren Augen einen neuen Blauton kreiert hatten.
    „Du siehst aus wie ein Wrack!“, tadelte sie ihr Abbild.
    Selene lechzte nach einer heißen Dusche. Ihre Haut sollte brennen, bis es auch ihre Eingeweide taten, bis ihr Verstand sich vor Überhitzung abschaltete und den Kreislauf herunterfuhr.
    Wenn sie diese Wärme nur in sich einschließen könnte. Wenn sie nicht ständig auskühlte, als würde kein Blut mehr durch ihre Adern fließen. Wenn es bloß eine Lösung gäbe, all das, die Leere, die Kälte, alles in ihr zu beseitigen.
    Es gab keine. Sie musste diese Zeit ertragen, bis es besser wurde. Es würde sicher besser werden. Natürlich. Früher war sie ja auch eine wahre Frohnatur gewesen.
    Eine lange Stunde später trat Selene aus der Dusche. Ihr Körper dampfte, alle glatten Flächen des Badezimmers waren beschlagen. Wie Nebel durchzog der Wasserdunst den kleinen Raum und schirmte sie ab. Selene fühlte sich verloren. Ihr Herz schlug unregelmäßig, beinahe schwerfällig, als bräuchte es Motivation. Und ganz leise kroch die Unruhe ihre Brust hinauf, durch ihre Kehle und wollte als Wimmern in die Freiheit. Doch sie schluckte es hinunter. Immer wieder. Bis es Ruhe gab.
    Als Selene sich wenig später mit einer Tasse Tee in der Hand auf die Couch setzte und daran nippte, stellte sie fest, dass der Rooibos Sahnekaramell seinen Geschmack verloren hatte. Was sie trank, war Wasser, heißes Wasser. Und sie bekam das Gefühl, dass ihr Lieblingstee nie wieder wie früher schmecken würde.
    Durch das Wohnzimmerfenster konnte Selene die Herbstlandschaft unter der Last der Sonne glühen sehen, als würde sie gezwungen, romantisch zu wirken. Die Bäume brannten. Doch Selene kühlte wieder ab, war nicht fähig, die Wärme zu speichern.
    Sonntags spürte sie das Alleinsein stets am Deutlichsten.
    Man konnte sich an Einsamkeit gewöhnen, sich damit arrangieren, in Arbeit stürzen, ein sinnloses Hobby zulegen oder was auch immer tun, um sich abzulenken. Aber was half alle Ablenkung, wenn die Einsamkeit dort blieb, wo sie war – im Herzen. Und wie von allein musste Selene an einen der vielen Sonntage zurückdenken, die sie stets am Krankenbett ihrer Mutter verbracht hatte.
    Eine hellgelbe Blümchentapete schmückte die Wände des Schlafzimmers. Die Vorhänge waren zugezogen, verbargen den bewölkten Himmelund erzeugten beinahe sommerliche Lichtverhältnisse .
    Selene hockte am Fenster und beobachtete Charlie beim Schlafen, was ihre Mutter in letzter Zeit viel zu oft tat. Das hellgraue Haar war zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Ein paar Strähnen fielen ins Gesicht und ließen es noch zerbrechlicher erscheinen. Charlie wachte auf und lächelte, als sie ihre Tochter erblickte.
    „Mum. Wie fühlst du dich?“ Selene bemühte sich, fröhlich zu wirken.
    „Ach Selene, meine Süße. Es geht mir gut. Ich bin nur … nur müde. Komm doch her und setz dich ein bisschen zu mir.“
    Ihre Stimme war leise. Zu sprechen kostete sie mittlerweile große Anstrengung.
    Selene erhob sich und nahm auf der Bettkante Platz. Charlies Hände wirkten grau. Aber sie waren warm wie immer. Die Art, wie ihre Mutter sie ansah, verriet, dass sie ihr etwas Wichtiges mitteilen würde. Selene fürchtete diese Momente.
    „Weißt du, mein Kind, ich glaube, in jedem Leben kommt der Tag, an dem man etwas … sehr, sehr Wichtiges erkennt.“ Jedes Mal das Gleiche. Es hörte sich nach Abschied an. „Ich glaube wirklich, dass du bald glücklich sein wirst.“ Selene wiederholte die Worte in ihrem Kopf, doch die Bedeutung blieb die gleiche und sie konnte nicht begreifen, warum ihre Mutter so etwas sagte. Niemand wusste, wie lange Charlie noch leben würde. Selene versuchte, Trauer und Wut hinunterzuschlucken, aber das Entsetzen schien ihr ins Gesicht geschrieben.
    „Selene, meine Liebe, bitte … bitte guck nicht so. Ich ertrage diesen Blick nicht. Du denkst, dass ich nur noch Unsinn rede und …“
    „Nein, Mum, bitte. Das ist nicht wahr. Ich weiß nur nicht …“ Selene konnte es nicht aussprechen, niemals vor ihrer Mutter. „Ach, ist schon gut. Entschuldige, ich wollte nicht so schauen.“
    „Ach Süße, du wirst das schaffen. Du bist so stark und unabhängig, das … hat mich immer stolz gemacht. Du wirst mir doch keinen Kummer bereiten, oder?“
    Es war unfair, so schrecklich unfair. Selene durfte nicht

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