Seelengrab (German Edition)
sein, ließ sich jedoch nichts anmerken. Hirschfeld schätzte sich dagegen glücklich, dass sein Ulster-Mantel die Nässe bisher nicht hatte durchdringen lassen. Seine Chucks waren dagegen vollkommen durchweicht.
„Hier am Rhein?“, fragte der Mann spöttisch.
„Zum Beispiel.“
Die Frage war nicht ganz unberechtigt. Falls der Mord nicht am Fundort oder in unmittelbarer Nähe stattgefunden hatte, musste die Leiche transportiert worden sein.
„Oder auf dem Weg zur Promenade“, fuhr Kirchhoff fort.
„Nein.“
„Das kann ich nur bestätigen“, meinte die junge Frau. „Allerdings habe ich mich auch wenig darum gekümmert, ob sich sonst noch jemand hier herumgetrieben hat. Außerdem war es stockdunkel. Ohne die Taschenlampe hätten wir wahrscheinlich rein gar nichts mitbekommen.“
„Hat jemand von Ihnen in dieser Nacht Videoaufnahmen gemacht?“, meldete sich Hirschfeld zu Wort.
Die beiden sahen sich fragend an.
„Keine Ahnung“, erwiderte er schließlich.
„Doch, Alex hat, glaube ich, ein paar Aufnahmen mit seiner Handykamera gemacht.“
Das Mobiltelefon musste umgehend beschlagnahmt werden, dachte Hirschfeld, falls dies nicht längst geschehen war.
„Das ist ein Anfang“, gab er zurück und signalisierte seinem Partner, dass er keine weiteren Fragen mehr hatte.
„In Ordnung“, beendete Kirchhoff die Befragung. „Das wär’s dann fürs Erste. Ihre Personalien haben wir ja, Sie können jetzt nach Hause gehen. Aber halten Sie sich bitte die nächsten Tage bereit. Wir werden Ihre Aussage auch noch einmal im Präsidium aufnehmen müssen.“
Die beiden nickten. Hirschfeld und Kirchhoff verabschiedeten sich. Als sie außer Hörweite waren, bemerkte Hirschfeld:
„Die zwei waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie eine brauchbare Aussage hätten machen können.“
Kirchhoff schwieg.
„Hoffentlich haben wir bei den Anwohnern mehr Glück.“
Ein schwarzer Leichenwagen fuhr vor, aus dem zwei Männer in Schwarz stiegen. Der Fahrer öffnete die Heckklappe und zog einen grauen Zinksarg daraus hervor. Gemeinsam mit seinem Kollegen trug er den Sarg zur inneren Absperrung. Schröder, der den Schutzanzug inzwischen gegen einen braunen Mantel eingetauscht hatte, winkte die Männer durch. Der Erkennungsdienst und Professor Stein hatten ihre Arbeit offenbar beendet. Die Leiche konnte nun in die Rechtsmedizin verbracht werden. Hirschfeld ging davon aus, dass die Obduktion bereits für den nächsten Tag angesetzt sein würde. Neben der Todesursache mussten sie so schnell wie möglich herausfinden, wer die junge Frau war.
„Etwa nass geworden?“, winkte ihnen Hellmann von weitem zu und stolzierte mit seinen gelben Gummistiefeln vorbei.
„Ist der immer so fröhlich?“, wollte Hirschfeld wissen und sehnte sich nach einer Zigarette. „Könnte glatt als Alleinunterhalter durchgehen.“
Kirchhoff sagte immer noch nichts, aber zum ersten Mal in dieser Nacht sah er Hirschfeld direkt in die Augen. Und lächelte.
18
„Guten Morgen, Kollegen“, begrüßte Jens Schröder die 14 Männer, die sich im Besprechungsraum des KK 11 eingefunden hatten.
Der Leiter der Mordkommission stand am Kopfende von drei aneinandergereihten quadratischen Konferenztischen, an dem die Ermittler Platz genommen hatten. In der Mitte der Tische standen jeweils mehrere weiße Thermoskannen mit dem Logo der Polizei NRW. Hirschfeld hatte sich für das Tischende entschieden und warf einen Blick in die Runde. Unter den Männern sah er einige bekannte Gesichter, darunter Kirchhoff, der neben ihm saß, und den Tatortbeamten von gestern Nacht, der sich Hirschfeld in der Teeküche vorhin als Ulrich Faßbender vorgestellt hatte. Hellmann hatte, wie nicht anders zu erwarten, die Nähe zu Schröder gesucht. Seine Mundwinkel umspielte ein selbstzufriedener Zug – ein Musterschüler in der ersten Reihe.
„Ein Pärchen hat in der letzten Nacht eine junge Frau nahe des Rheinufers auf der Höhe des Römerbads tot aufgefunden. Die Tote ist noch nicht identifiziert und bisher auch nicht unter den Vermisstenanzeigen aufgetaucht. Wir werden uns daher auf eine längerfristige Ermittlung einstellen müssen, da wir bisher nur wenige Anhaltspunkte haben.“
Jens Schröder legte eine Pause ein und deutete auf seinen rechten Sitznachbarn:
„Alle Fäden laufen bei Hauke und mir zusammen.“
Hauke Ludwig war ein schlanker Mittdreißiger mit blonden, kurzen Haaren und leicht abstehenden Ohren, der, wie in der gestrigen Nacht am
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