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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Buranaseda
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„dass der Tod vor nicht länger als 18 und nicht kürzer als 9 Stunden eingetreten ist.“
    Hirschfeld blickte auf seine Uhr und überschlug die Angaben.
    „Dann reden wir von einem Zeitfenster zwischen 8 Uhr morgens und 17 Uhr.“
    „Das kommt hin“, bestätigte Stein und erhob sich.
    „Was können Sie noch sagen?“
    „Gute Konstitution. Kein Drogenabusus, schätze ich. Alles Weitere wie immer nach der inneren Leichenschau.“

16
    Ich brenne! Ich brenne! Halt es kaum noch aus. Die Hitze beißt mir in den Fuß, wandert meine Beine hoch, kriecht über meine Arme und versengt mir die Haare. Ein stechender Geruch steigt mir in die Nase. Mir wird ganz übel davon. Drehe mein Gesicht weg, bekomme kaum noch Luft. Doch ich darf mich keinen Zentimeter von der Stelle rühren, sonst passiert noch etwas Schlimmeres. Die anderen stehen im Halbkreis um mich herum und müssen zuschauen, wie meine Haut rot wird und anfängt zu wachsen: wie Kaugummiblasen. Alle starren mich an. Höre jemanden schreien. Oder bin ich das selbst? Hab Angst, dass sie zurückkommt und noch mehr Holz in den Ofen wirft.

17
    „Macht es Ihnen etwas aus, den Schleier abzunehmen?“, fragte Kirchhoff die junge Frau im Brautkleid vor ihm.
    Hirschfeld hatte sich nach der Unterredung mit Professor Stein umgezogen und wieder zu seinem neuen Partner gesellt. Kirchhoff hatte gerade mit der Befragung der beiden Zeugen begonnen, die die Leiche entdeckt hatten.
    „Ja. Nein, ich meine: natürlich nicht“, entgegnete sie und folgte Kirchhoffs Bitte mit zitternden Händen.
    Die junge Frau hatte eine graue Wolldecke um die Schultern und wirkte wie ein kleines verlorenes Kind, das man sich selbst überlassen hatte. Sie saß im geöffneten Heck des Feuerwehrfahrzeugs, während ihr Begleiter neben ihr stand und schützend einen großen gelben Regenschirm über sie hielt. Der Schock stand ihr noch deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie musste geweint haben, denn ihr Kajal hatte hässliche Schlieren auf ihren Wangen hinterlassen.
    „Danke, sehr freundlich. Wie viel Uhr war es, als Sie die Tote entdeckt haben?“, begann Kirchhoff, den der Regen unbeeindruckt ließ.
    Bevor das Kriseninterventionsteam sich um die beiden kümmerte, brauchten sie ein paar Antworten.
    „Das weiß ich nicht genau“, antwortete sie matt und nahm Hilfe suchend Blickkontakt zu ihrem Begleiter auf.
    „Was haben Sie vor dem Fund gemacht, woran können Sie sich noch erinnern?“, fragte Kirchhoff, um ihr den Einstieg zu erleichtern, und legte den Kopf schief.
    In diesem Moment konnte Hirschfeld benennen, was ihm vorhin an Kirchhoff aufgefallen war: Seine schräg stehenden Augenbrauen und der melancholische Blick ließen Kirchhoff distanziert und wenig kommunikativ wirken. Als Polizist muss man jedoch ein Gespür für sein Gegenüber haben. Dazu gehört es nicht nur, die richtigen Fragen zu stellen, sondern – viel wichtiger – auch den richtigen Ton zu treffen. Kirchhoff wusste das, legte aber seine verschlossene Art nicht ab. Vielleicht lag genau darin seine Stärke.
    „Unsere Truppe ist gegen 22.30 Uhr zum Rhein aufgebrochen“, begann die junge Frau zögernd und knetete den neonpinken Tüllschleier in ihren Händen. „Die Zeremonie hat nicht länger als eine halbe Stunde gedauert, schätze ich.“
    „Warum hat die Nubbelverbrennung am Rheinufer stattgefunden?“, wollte Kirchhoff wissen.
    „Ohne bestimmten Grund“, antwortete die junge Frau trotzig. „Die Kneipe, von der aus der Fackelzug gestartet ist, ist nicht weit weg. Es war naheliegend, dass unser Karnevalsverein die Feierlichkeiten nicht in der Stadt, sondern am Rheinufer ausgerichtet hat.“
    „Befindet sich die Wirtschaft auf der Römerstraße?“
    „Ja.“
    „Gut“, erwiderte Kirchhoff und ließ sich den Namen der Gaststätte geben.
    „Haben sich nur Angehörige Ihres Vereins hier aufgehalten? Oder haben sich noch andere Personen an der Verbrennung beteiligt?“
    „Was wollen Sie damit sagen?“, unterbrach ihr Freund, der bisher geschwiegen hatte, Kirchhoff und schenkte ihm einen wütenden Blick.
    „Eine reine Routinefrage“, entgegnete Kirchhoff ohne eine Spur von Ungeduld. „Wir müssen wissen, ob Sie vielleicht eine oder mehrere verdächtige Personen bemerkt haben, die nicht zu Ihrer Gruppe gehörten.“
    „Ach so, na dann. Nein, da ist mir niemand aufgefallen.“
    „Auch kein Fahrzeug, das Ihre Aufmerksamkeit erregt hat?“, hakte Kirchhoff nach.
    Inzwischen musste er bis auf die Knochen durchnässt

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