Seelengrab (German Edition)
Fundort, in seiner Funktion als Aktenhalter anwesend war. Bei ihm gingen alle Spuren, Ermittlungsansätze wie Zeugenaussagen, ein. Der Aktenhalter stand in ständigem Kontakt mit dem Leiter der MK, der für die Verteilung der Aufträge zuständig war. Hirschfeld wusste, dass es nur wenige Beamte gab, die sich um diese anspruchsvolle Aufgabe rissen. Doch wer sich dafür entschied, war mit Herzblut bei der Sache.
Schröder verließ seinen Platz, trat an die Wand hinter ihm und ließ per Knopfdruck eine Leinwand aus einer silberfarbenen Kunststoffschiene herunter.
„Uli wird für diejenigen, die gestern nicht am Fundort waren, einen kurzen Abriss über die bisherigen Erkenntnisse liefern“, sagte Schröder und übergab das Wort an Faßbender, während er zu seinem Stuhl zurückkehrte.
Faßbender war untersetzt und musste um die 50 sein. Er hatte dunkelblondes, lichtes Haar und trug einen getrimmten Vollbart, der am Kinn zu ergrauen begann. Vor ihm auf dem Tisch stand ein aufgeklappter Laptop. Dieser war über ein Kabel mit einem leise summenden Beamer verbunden, in dessen Lichtstrahl Staubkörner tanzten. Als er mit dem Zeigefinger über das Touchpad fuhr, erschienen kurz darauf die ersten Tatortbilder, die Renee gemacht hatte, auf der Leinwand. Faßbender schaute über den Rand seiner Lesebrille und begann, die einzelnen Aufnahmen in sachlichem Ton zu kommentieren.
Da Hirschfeld die meisten Fakten bereits kannte, ließ er seinen Gedanken für einen Augenblick freien Lauf. Auch wenn er sich seit seiner Ankunft in Bonn manchmal mit dem ein oder anderen schwergetan hatte, bereute er seinen Wechsel in die ehemalige Hauptstadt nicht. Der Mordkommission stand für die nächsten Tage und Wochen eine intensive Zeit bevor. Es war keine Seltenheit, dass bei einem Fall, bei dem der Mörder nicht gerade auf der Leiche saß, innerhalb von drei Wochen gut und gerne 200 Überstunden pro Beamten zusammenkamen. Für Alleingänge gab es da keinen Platz. Sie mussten im Team funktionieren, auch wenn die Nerven zwischenzeitlich blank lagen. Denn sie alle hatten nur ein Ziel: den Mörder zu fassen, bevor er ein zweites Mal zuschlug.
„Seit den Morgenstunden haben wir Kenntnis darüber, welchen Weg der Mörder genommen haben muss“, hörte Hirschfeld den Tatortbeamten sagen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Faßbenders Vortrag. „Durch den Regen in der Nacht und den gefrorenen Boden haben wir in der Nähe des Fundortes wenig verwertbare Spuren sicherstellen können. Auch die Suche mit dem Metalldetektor blieb ergebnislos. Wir konnten jedoch anhand von Einbruchspuren feststellen, dass der Täter auf das Gelände des Römerbads eingedrungen ist und die Leiche schließlich über den Zaun gehoben hat, um sie zwischen die dicht bewachsenen Eibensträucher zu legen. Wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Fund- und Tatort nicht identisch sind. Es gibt keinerlei Spuren eines Kampfes, sodass die junge Frau bereits tot gewesen sein muss, als der Täter sie dort abgelegt hat.“
Hirschfeld dachte an den mannshohen Zaun, der das Grundstück umschloss. Der Mörder musste durchtrainiert sein, sonst wäre ihm dieser Kraftakt nicht gelungen.
„Danke, Uli. Ich komme jetzt zur Aufgabenverteilung“, schaltete Schröder sich wieder ein. „Die Pressemitteilung ist bereits draußen. Die Zeugenaussagen haben bisher zu keiner heißen Spur geführt. Es bleibt abzuwarten, ob die Bevölkerung uns einen entscheidenden Hinweis geben kann. In der Zwischenzeit ist Klinkenputzen angesagt.“
Schröder erntete kollektives Nicken. Die Anwohner und der Wirt der Gaststätte, in der die Mitglieder des Karnevalsvereins am Vorabend gefeiert hatten, mussten befragt werden.
„Die Obduktion ist für 12 Uhr angesetzt“, fuhr der Leiter der MK fort.
Hirschfeld hob die Hand. Er hoffte, dass die Leichenschau genauere Informationen lieferte, wie die junge Frau zu Tode gekommen war.
„Gut, Lutz und Peter übernehmen das. Die Aufnahmen der Handykamera eines Zeugen werden zur Stunde noch gesichtet. Vielleicht wissen wir bald mehr.“
Schröder lächelte aufmunternd, doch seine letzten Worte klangen nicht gerade optimistisch.
Als Hirschfeld den Besprechungsraum mit den anderen wieder verließ, klingelte sein Handy.
„Ja, Hirschfeld“, meldete er sich.
„Du musst sofort vorbeikommen, Junge! Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus!“
„Vater? Bist du das?“, fragte Hirschfeld, doch die Leitung war bereits
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