Seelengrab (German Edition)
Bach fort und warf einen vorsichtigen Blick in Richtung seiner Frau. „Wir haben sie erst Samstagabend zurückerwartet.“
„Wie alt ist Susanne?“, fragte Hirschfeld.
„Letzten Monat ist sie 24 geworden.“
Wenn es sich bei der Toten tatsächlich um Susanne Bach handelte, sah sie deutlich jünger aus, als ihr Alter vermuten ließ.
„Wohnt sie noch bei Ihnen?“
„Nein“, entgegnete Bach langsam, „sie ist vor einem Jahr in eine WG gezogen. Aus diesem Grund wollte sie sich auch für ein paar Tage ausklinken.“
„Wann genau wollte Ihre Tochter abreisen?“
„Am Mittwoch vor Weiberfastnacht.“
Hirschfeld rechnete zurück: Das war genau elf Tage her.
„Haben Sie sich nicht gewundert, weshalb Ihre Tochter sich die ganze Zeit über nicht gemeldet hat?“, fragte Kirchhoff.
Frau Bach zuckte zusammen. Sie kämpfte mit den Tränen.
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete ihr Mann sofort. „Susanne ist sehr eigenständig und kommt gut allein zurecht. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht sie es auch durch. Sie weiß, dass sie uns gegenüber keine Rechenschaft ablegen muss.“
„Verstehe“, entgegnete Kirchhoff.
„Wann haben Sie festgestellt, dass etwas nicht stimmt?“, arbeitete Hirschfeld sich langsam zum Kern des Themas vor.
„Nach ihrer Rückkehr wollte Susanne uns für ein paar Tage besuchen, bevor sie wieder in die WG ging. Als sie nicht aufgetaucht ist und sich auch nicht gemeldet hat, haben wir es über ihr Handy versucht. Da sprang aber jedes Mal nur der AB an. Meine Frau hat daraufhin in der WG angerufen. Niemand wusste Bescheid. Alle dachten, Susanne sei noch in der Eifel oder bereits bei uns.“
„Ich nehme an, Sie haben sich daraufhin auch bei der Unterkunft, die Susanne gemietet hat, erkundigt?“, fragte Hirschfeld.
Bach nickte:
„Sie ist nie dort angekommen.“
Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Hirschfeld schwieg einen Augenblick, damit das Ehepaar sich wieder etwas fangen konnte.
„Waren Sie schon in der WG?“, brach Kirchhoff schließlich das Schweigen.
„Ja“, gab Herr Bach schwach zurück. „Ihre Reisetasche stand gepackt in ihrem Zimmer. Sie ist gar nicht mehr in die Eifel aufgebrochen.“
„Hat Susanne ein Auto?“, fragte Kirchhoff.
„Ja, sie fährt einen alten dunkelblauen Audi 100, den wir ihr vererbt haben. Damit wollte sie auch in die Eifel.“
„Können wir das Ganze endlich hinter uns bringen?“, ergriff Frau Bach zum ersten Mal das Wort. „Diese Fragerei ertrage ich nicht länger!“
Ihre Stimme hatte einen hohen Ton angenommen und es machte den Anschein, als würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
„Bitte, Schatz, das bringt doch nichts“, versuchte Bach seine Frau zu beruhigen. „Die Herren von der Kripo tun nur ihre Arbeit.“
„Wir können sehr gut nachempfinden, wie schwer Ihnen das alles hier fallen muss“, sagte Hirschfeld besänftigend. „Ihrer Beschreibung nach könnte es sich bei der jungen Frau, die wir am Rheinufer gefunden haben, tatsächlich um Ihre Tochter handeln. Wir wollen Sie daher nicht länger im Ungewissen lassen.“
„Vielleicht möchten Sie lieber hier warten, Frau Bach?“, schlug Kirchhoff vor.
„Nein“, entgegnete sie und schüttelte energisch den Kopf. „Wenn es Susanne ist, muss ich sie sehen.“
„Also gut, folgen Sie mir bitte!“, sagte Kirchhoff und öffnete die Tür.
Kurz darauf verließen sie das Hauptgebäude und wechselten hinüber in die Prosektur. Ein großer Aufzug brachte sie in den Keller der Pathologie. Als sich die Fahrstuhltür öffnete, gelangten sie in einen weiß gekachelten Vorraum, von dem ein lang gestreckter Flur abging. Kirchhoff klopfte gegen eine Tür, in der wenig später Professor Steins Assistenzarzt erschien. Der Asiate grüßte die Anwesenden mit einem knappen Nicken und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. Schließlich blieb der Assistent vor einer Stahltür stehen. Bach griff nach dem Ellenbogen seiner Frau.
„Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen“, sagte Steins Assistent, öffnete die Tür und ließ das Ehepaar eintreten.
Hirschfeld und Kirchhoff folgten den beiden in einen rechteckigen Raum, dessen Wände ebenfalls weiß gefliest waren. Rechts und links gegenüber der Tür standen zwei Hub- und Transportwagen aus Edelstahl. Die Hydraulikeinheit unter dem Tisch konnte mit dem Fuß betätigt werden und erlaubte es, Leichen auch in höher gelegene Kühlfächer zu fahren oder von dort zu entnehmen. Die Leichenmulde auf dem linken
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