Seelengrab (German Edition)
Wagen war belegt. Der Körper, der in der Edelstahlwanne lag, war in eine dicke weiße Kunststofffolie eingewickelt. Der Asiate schloss die Tür hinter sich, trat an den Tisch und schlug die Enden der Plane auf ein Zeichen von Kirchhoff auseinander.
Arm in Arm näherte sich das Ehepaar Bach zögernd. Jeder ihrer Schritte, die dumpf von den Wänden widerhallten, schien ihnen schwerer zu fallen. Als sie das Kopfende fast erreicht hatten, blieb Frau Bach abrupt stehen. Ihre Hand flog zum Mund. Ein verzweifeltes Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Ihre Schultern sackten zusammen, dann knickten ihre Knie ein. Ihr Mann fing sie auf und sie begann unkontrolliert zu weinen. Ihr ganzer Körper wurde von Schmerz geschüttelt, dem sie jetzt freien Lauf ließ. Herr Bach, der nur einen kurzen Blick auf die Bahre geworfen hatte, redete mit tränenerstickter Stimme auf seine Frau ein. Neben ihm wirkte sie wie ein kleines Kind. Die Frage erübrigte sich, ob die Tote Susanne Bach war.
„Ich bedaure Ihren Verlust zutiefst“, sagte Hirschfeld, als sie wieder auf dem Flur standen. „Ich rufe Ihnen einen Streifenwagen, der Sie nach Hause fahren wird.“
Eine weitere Befragung hielt er für den Moment nicht für angebracht. Außerdem hatten die beiden ihnen bereits die ersten wichtigen Informationen geliefert.
„Das möchten Sie vielleicht mitnehmen“, sagte Steins Assistent und reichte Herrn Bach einen kleinen Plastikbeutel.
Hirschfeld erkannte den Schmuck wieder, den Professor Stein bei der Leichenschau als einzige persönliche Gegenstände der Toten vorgefunden hatte. Bach nahm den Beutel entgegen und wollte ihn gerade in seine Jackentasche stecken, als er innehielt und den Inhalt genauer betrachtete.
„Das soll meine Tochter getragen haben?“, wollte er wissen.
„Ja, stimmt etwas nicht damit?“, erkundigte Hirschfeld sich sofort.
„Die Ohrringe haben wir ihr zu Weihnachten geschenkt. Aber die Halskette mit dem Amulett gehört auf keinen Fall Susanne.“
„Weshalb auf keinen Fall, Herr Bach?“, erkundigte sich Hirschfeld, der den Plastikbeutel mit dem Schmuck wieder an sich genommen hatte.
Sie waren im Kellerflur stehen geblieben, während Kirchhoff und Steins Assistenzarzt Frau Bach nach oben begleiteten.
„Susanne ist …“, zögerte Bach und stützte seinen massigen Körper mit dem Ellenbogen gegen die Wand, „… war kein religiöser Mensch. Zumindest hat sie nicht viel von der Kirche gehalten.“
„Sie könnte ihre Meinung in letzter Zeit geändert haben“, gab Hirschfeld zu bedenken und setzte sich langsam in Bewegung.
„Das glaube ich kaum. Sie ist letztes Jahr ausgetreten“, erwiderte Bach, löste sich ächzend aus seiner Position und folgte dem Kriminalhauptkommissar.
„Vielleicht handelt es sich schlicht und ergreifend um ein Geschenk, das sie nicht ablehnen konnte“, dachte Hirschfeld laut. „Vielleicht hat Susanne den Anhänger aus Höflichkeit angenommen.“
„Susanne würde ihre Prinzipien nicht einfach über Bord werfen“, widersprach Bach. „Und jeder, der sie etwas besser kennt, weiß, dass sie keinen Silberschmuck verträgt.“
„Sie meinen, Susanne reagierte allergisch?“
„Ja, sie hatte eine starke Kontaktallergie gegen Nickel und Kobalt.“
Nickel war in vielen Silberlegierungen enthalten. Wenn Bach Recht hatte, stellten sich der Mordkommission weitere Fragen: Wem gehörte der Schmuck? Gab es einen Zusammenhang mit dem Mord? Hirschfeld war fest davon überzeugt, dass dies kein Zufall sein konnte.
„Bei der kleinsten Berührung bekam sie bereits einen unangenehmen Ausschlag, der sich mehrere Tage hielt“, fuhr Bach fort. „Aus diesem Grund hat Susanne meist Gold getragen. Die Ohrringe haben wir zum Beispiel extra für sie beim Juwelier anfertigen lassen, um sicherzugehen, dass der Goldgehalt möglichst hoch ist und kein Nickel verwendet wird.“
Sie hatten inzwischen wieder den Aufzug erreicht. Hirschfeld betätigte den Knopf. Als sich nichts tat, drückte er mehrmals hintereinander darauf, denn er hatte es plötzlich sehr eilig, dem Institut für Rechtsmedizin den Rücken zu kehren.
„Glauben Sie, dass die Kette von Bedeutung ist?“
Bach hatte Hirschfelds Ungeduld richtig interpretiert.
„Ja, davon gehe ich aus.“
Die Fahrstuhltür glitt auf. Endlich.
„Ach ja, bevor ich es vergesse“, fügte Hirschfeld hinzu und betrat mit Bach den Aufzug, „War Susannes Fahrzeug zufällig in der Nähe ihrer WG geparkt?“
„Nein, wir haben ihr Auto nicht gefunden.
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