Seelengrab (German Edition)
Kaffee?“, murmelte Kirchhoff und erhöhte seine Trommelfrequenz.
Nach einer halben Ewigkeit kehrte der Paketdienstfahrer zurück und lächelte entschuldigend in ihre Richtung.
„Wurde auch Zeit.“
Nachdem der Fahrer wieder eingestiegen war, hängte Kirchhoff sich wieder an den Transporter, der an der nächsten Querstraße abbog.
„Mist, wo ist Winkler abgeblieben?“, fluchte Hirschfeld und blickte sich nach allen Seiten um.
Kirchhoff schwieg verbissen. Gerade eben war der Fotograf noch vor ihnen gewesen. Jetzt schien er sich in Luft aufgelöst zu haben.
„Glaubst du, er hat spitzbekommen, dass wir an ihm dran sind?“
„Macht das einen Unterschied?“
Kirchhoff hatte Recht. Sie mussten so schnell wie möglich herausfinden, in welche Richtung der Fotograf gefahren war.
„Dort drüben fängt die Fußgängerzone an“, fuhr Kirchhoff fort.
„Okay, ich steige aus und sehe nach, ob Winkler diesen Weg genommen hat. Du fährst am besten eine Runde um den Block. Irgendwo muss der Kerl ja stecken.“
Kirchhoff nickte und setzte Hirschfeld kurz darauf an der Einkaufsmeile ab.
„Wir bleiben in Kontakt“, rief Hirschfeld über die Schulter und deutete mit Daumen und Zeigefinger an, dass er seinen Partner über sein Mobilfunktelefon anrufen würde.
Hirschfeld rannte in die Richtung, die Kirchhoff ihm gezeigt hatte. Um diese Tageszeit waren nicht besonders viele Passanten in der Fußgängerzone, nur hier und da ein paar Schüler, die dem Unterricht wahrscheinlich unerlaubt fernblieben. Hirschfeld lief weiter und versuchte sich zu orientieren. Er verfluchte den Umstand, dass er sich nicht in der Gegend auskannte. Mit dem Auto hätte er jedoch noch schlechtere Karten gehabt.
Plötzlich klingelte Hirschfelds Handy.
„Ja?“, keuchte er, seine Lungen brannten.
„Hast du Winkler entdeckt?“, schnarrte Kirchhoffs Stimme aus dem Lautsprecher.
Hirschfeld hatte das Ende der Ladenstraße erreicht, die in einen Marktplatz mündete, auf dem gut 20 Obst- und Gemüsehändler ihre Stände aufgebaut hatten.
„Nein, keine Spur.“
„Mist, bei mir dasselbe. Ich habe bereits eine Runde gedreht. Dieser verdammte Paketmann!“
Hirschfeld blieb stehen und holte tief Luft. Obwohl es kalt war, rann ihm der Schweiß den Rücken hinunter. Hirschfeld musste sich entscheiden, welche Richtung er einschlagen sollte. Er rechnete sich aus, dass Kirchhoff den Fotografen längst gesichtet hätte, wenn er in eine Seitenstraße gebogen wäre und das Stadtzentrum wieder verlassen hätte.
„Ich rufe dich zurück“, sagte Hirschfeld, legte auf und lief zum erstbesten Marktstand.
Eine junge blonde Frau in einem Norwegerpullover bediente gerade ein älteres Ehepaar. Während sie ein paar Worte über das Wetter wechselten, legte die Marktfrau eine Handvoll Äpfel in die Waage. Ihre rissigen Hände steckten in fingerlosen Handschuhen, die an den Rändern ausgefranst waren.
„Entschuldigen Sie, Kripo Bonn“, hielt Hirschfeld seine Marke hoch. „Ist hier vielleicht vorhin ein Mann Ende 40 mit einem Rennrad vorbeigekommen? Er hat mittellanges braunes Haar, nach hinten gekämmt, und trägt einen Rucksack.“
Das Gespräch verstummte. Die Marktfrau starrte erst die Kriminalmarke und dann Hirschfeld an.
„Ja“, sagte sie langsam und packte die Äpfel in eine Papiertüte. „Er schien es sehr eilig zu haben.“
„In welche Richtung ist er gefahren?“, wollte Hirschfeld sofort wissen.
„Da lang“, deutete die Marktfrau mit dem Zeigefinger zum anderen Ende des Platzes.
„Wohin geht es dort?“
„Zum Bahnhof.“
„Verdammt!“, schimpfte Hirschfeld. Dann bedankte er sich und sprintete los.
Als er das Ende des Marktplatzes erreicht hatte, wählte er Kirchhoffs Nummer.
„Winkler könnte sich mit dem Zug abgesetzt haben“, informierte Hirschfeld ihn.
„Gut, wir treffen uns am Bahnhof, vielleicht erwischen wir den Kerl noch.“
Eine Viertelstunde später entdeckte Hirschfeld seinen Partner auf Gleis 1. Kirchhoff ließ die Schultern hängen und schüttelte resigniert den Kopf:
„Wir haben ihn verloren, Lutz. Von hier aus kann Winkler überallhin gefahren sein.“
61
Du bist ein widerspenstiges kleines Mädchen. Hast gezappelt und gestrampelt. Geschrien, geflucht, gebettelt. Und zuletzt geweint. Jetzt bist du stumm und rührst dich nicht mehr. Dein Atem ist flach. Deine Augen flattern. Bald geht es zu Ende mit dir.
Fast könnte man Mitleid mit dir haben. Aber ich weiß, wozu du in der Lage bist. Hab es am eigenen
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