Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
über mein Gesicht.
Ich blieb still und bewegungslos liegen, um ihn nicht aufzuwecken. Ich sog vorsichtig seinen Duft ein. Sein Körper strahlte Wärme aus und verhinderte, dass ich fror. Während wir so dalagen, sah ich mich um. Große Nadelbäume ragten in den Himmel. Hier und da standen ein paar kahle Laubbäume und gaben den Blick auf den frisch rosa gefärbten Morgenhimmel frei. Vor mir befand sich die Glut eines nächtlichen Lagerfeuers, das vor Kurzem erloschen sein musste. Es war vollkommen still. Kein Tier regte sich, kein Windhauch ließ die Äste der Bäume knacken.
Nur kleine braune Blätter, die im Herbst von den Bäumen abgefallen waren, wurden von einer leichten Brise herumgewirbelt.
So wirkte alles friedlich. Nichts wies auf Gefahr hin. Es gab keinen Störenfried, der die herrliche Ruhe unterbrach. Nur wir waren hier. Alec und ich.
Alec hob seinen Arm ein wenig an und drückte mich näher an sich heran. Ich konnte seine nackte Haut an meinen Schultern spüren. Alecs Gesicht kam ebenfalls näher heran.
Jetzt spürte ich seinen heißen Atem an meinem Hals. Mein Herz raste. Meine Finger griffen automatisch nach Alecs Hand und verschränkten sich in seinen Fingern.
Der Atem verschwand und Alec rückte sogleich ab von mir. Nun berührten wir uns nur noch an den Händen. Ich biss mir auf die Lippe. Ich hatte ihn soeben geweckt.
„Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe!“, hauchte ich.
Ich traute mich nicht, lauter zu sprechen. Die Stille um uns herum war so … laut.
„Nicht so tragisch!“, antwortete mir Alec genauso leise.
Ich konnte spüren, wie er seine Hand zurückziehen wollte. Ich wollte ihn nicht loslassen, trotzdem lösten sich meine Finger aus seinen.
Alec wandte sich ab. Ich blieb, wo ich war. Ich schloss die Augen und verfluchte mich in Gedanken. Wieso konnte ich ihm nicht einfach sagen, was ich empfand? Dann könnte ich ihm entweder so nah sein, wie ich wollte, oder er bliebe das für mich, was er zuvor schon war: ein guter Freund. Oder … wir würden nie wieder miteinander sprechen, was die Hölle für mich gewesen wäre.
Ich drehte mich auf den Rücken und sah zu Alec hinüber. Er lag ebenfalls auf dem Rücken und schaute nachdenklich in den Himmel. Ich folgte seinem Blick. Weiße, bauschige Wolken zogen über den rosafarbenen Himmel. Ein Schwarm Zugvögel, die für den Frühling nach Samalia zurückkehrten, flog über uns hinweg. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es kam kein Ton heraus. Also schloss ich ihn schnell wieder.
„Du wolltest etwas sagen?“, fragte Alec.
Ich schüttelte nur den Kopf.
Ich konnte Alecs Blick auf mir spüren, erwiderte ihn allerdings nicht.
„Bist du … wütend?“, fragte Alec weiter.
Ich schüttelte erneut den Kopf.
„Willst du nicht mehr mit mir reden?“
Ich sah Alec an. Er schien die Frage ernst gemeint zu haben.
„Nein, ich … es ist ziemlich viel … zu verarbeiten …“, antwortete ich stotternd.
Langes Schweigen folgte. Erst nach einer halben Ewigkeit beschloss Alec, dass wir weitergehen sollten. Er nahm mich wieder auf die Arme, da die Wunden auf seinem Rücken noch immer nicht vollständig verheilt waren.
Er rannte eine Weile. Irgendwann ließen wir die Nadelwälder hinter uns und durchquerten die grauen Laubwälder. Die Sonne am Himmel wanderte schneller, als ich die Zeit empfand.
Schon bald versank sie wieder hinter dem Horizont.
Alec hatte mich abgesetzt und einen Hasen erlegt. Während er das Fleisch briet, betrachtete ich den Sonnenuntergang. Die dunkelroten Strahlen, die durch die Bäume schienen, erinnerten mich daran, dass die Sonne jeden Tag aufs Neue aufsteigt, um dann wieder unterzugehen. Das warme Licht auf meinem Gesicht schwemmte das letzte Grau aus mir heraus. Diesen Sonnenuntergang hatte ich gebraucht, um zu begreifen, dass wir nicht länger in Chraz’ Reich waren.
Alec hielt mir das geröstete Fleisch hin. Ich nahm es dankend entgegen und verschlang den gesamten Hasen. Es war ein kleiner Hase gewesen und ich hatte Hunger gehabt.
Danach sollte ich eigentlich schlafen, aber die kühle Nachtluft ließ mich heftig zittern.
Alec bemerkte mein Dilemma, unternahm jedoch vorerst nichts. Er konnte mir kein Hemd oder Ähnliches anbieten, da er selbst halb nackt war. Und ich hatte nur das dünne, schulterfreie Kleid von Chraz. Meine Zähne klapperten und eine Gänsehaut bedeckte meinen gesamten Körper. Schließlich schien Alec sich überwinden können und nahm mich in den Arm. Ich schloss die
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