Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)
drängen, aber mir steht der Schlamm schon bis zum Hals!“, rief Alec ungeduldig.
Ich hob den Kopf und sah Alec, der mich finster anblickte, noch immer weiter sinkend. Ich nickte und suchte zwischen den sich zersetzenden Blättern und Sumpfgräsern nach einem Stock. Ich fühlte etwas und zog daran. Und schon wieder hielt ich keinen Stock in der Hand, sondern die Knochen eines Skelettes. Diesmal war es ein Arm, an dem zum Glück keine fleischlichen Überreste klebten. Ich schluckte und suchte weiter. Dabei fand ich das restliche Skelett.
Ich blickte dem Totenschädel direkt in die Augen und machte erst einmal einen Satz zurück. Bis ich sah, was mir noch mehr Angst und Grauen bereitete: Überall waren Leichen verteilt. Manche steckten halb im Schlamm, andere lagen zwischen Gras und Büschen versteckt.
Hier und da waren die Leichen auch noch recht gut erhalten und von dem Morast um uns herum konserviert. Nur wenige Meter von mir entfernt lag ein totes Mädchen mit dunkler Haut. Sie war höchstwahrscheinlich nicht älter als zehn Jahre. Ich musste würgen bei dem Anblick des Kindes, das so früh sein Ende gefunden hatte.
„Jackie!“ Alec riss mich vom Anblick der vielen Leichen los.
Kurzerhand brach ich einen morschen Ast von einem nahestehenden Baum ab und hielt ihn Alec hin. Dieser streckte seine Hände danach aus, konnte den Ast jedoch nicht packen.
„Er ist zu kurz!“
„Du musst dich strecken!“, entgegnete ich.
„Ich bin zu tief im Morast! Der Schlamm scheint meine Kraft abzuziehen und ich spüre meine Beine nicht mehr!“
„Was?“
„Ich spüre meine Beine nicht mehr!“, rief Alec zu mir herüber.
„Ich habe dich nicht so weit geführt, dass du jetzt als Sumpffutter endest!“ Ich war fest entschlossen, Alec da rauszuholen.
„Jackie, ich sagte, ich spüre meine Beine nicht mehr!“
„Das habe ich gehört! Und jetzt …“
„Nein, du verstehst nicht!“ Der Klang in Alecs Stimme machte mich nervös. „Ich bin ein Seelenjäger, kein Mensch! Wenn dieser Schlamm das ist, was ich denke, dann war ich schon verloren, als ich den ersten Schritt auf diese Insel gesetzt habe!“
„Was soll das heißen?“ Ich bekam langsam Angst.
„Dieser Schlamm zerfrisst mich! Menschenzellen sind weich und mit Wasser gefüllt, meine sind mit Gift gefüllt! Das soll heißen, dass dieser Matsch kreiert wurde, um solche wie mich zu töten. Das macht sogar Sinn! Kein Seelenjäger sollte die Ruinen jemals lebend erreichen! Ich fürchte, du musst mich zurücklassen!“
„Nein!“ Ich wurde panisch, als ich diese Worte hörte.
Ich konnte ihn nicht zurücklassen! Das ging einfach nicht!
„Jackie, ich werde sterben!“
„Nicht, wenn ich es verhindern kann!“
Ich sprang hastig auf die Füße und schaute mich hektisch um nach irgendetwas, was uns würde helfen können.
„Jackie!“
Ich blickte Alec an. In seinem Blick konnte ich sehen, dass er sich mit seinem Schicksal bereits abgefunden hatte.
„Wo ist der selbstverliebte Vollidiot geblieben, der niemals zugelassen hätte, dass er stirbt?“, fragte ich ihn.
Er musste lächeln.
„Ich habe dir doch schon erklärt, dass ich nicht kontrollieren kann, wann und wo meine andere Seite hervorkommt!“
Entsetzt sah ich ihn an. Inzwischen hatte der Morast ihn bis zum Kinn eingesogen. Mein Herz verkrampfte sich, als ich daran dachte, er könnte jetzt sterben. Panik stieg in mir auf. Ohne seine dummen Sprüche und nervigen Streitereien, nein, das könnte ich nicht. Ich hatte mich schon zu sehr an ihn gewöhnt, sodass ich seine Eigenschaften, die guten wie die schlechten, vermissen würde. Und ich bezweifelte, dass ich jemals ohne ihn wieder von dieser Insel herunterkäme.
Doch plötzlich verzog Alec das Gesicht und er schüttelte den Kopf. Schlammspritzer flogen in alle Richtungen. Dann schossen Alecs Arme aus dem Morast. In seiner Hand hielt er einen Schädel. Er holte aus und warf ihn mir zu. Erschrocken sprang ich zur Seite, als der Schädel auf den Boden prallte.
„Binde irgendwelche beweglichen Äste oder Gräser dran und wirf ihn mir wieder zu!“
Verständnislos starrte ich ihn an.
„Nun mach schon!“
Also machte ich mich auf die Suche nach etwas Seilähnlichem, fand jedoch nichts, was man auch nur annähernd dafür hätte gebrauchen können. Unschlüssig überlegte ich, ob ich es tun sollte oder nicht. Ich entschied mich dafür und machte mich daran, meine Lederjacke und die Hose auszuziehen und aneinanderzubinden . Vor Kälte zitterte ich, da
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