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Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)

Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition)

Titel: Seelenjäger: Die Jagd beginnt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Braun
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sehen!“ Seine Stimme war rein und sanft.
    Ich wollte erneut zur lang ersehnten Entschuldigung ansetzen, die mir schon so lange auf dem Herzen lag, doch wieder unterbrach er mich.
    „Ich weiß, weshalb du gekommen bist, und lass dir sagen, es war nicht deine Schuld! Du hättest nichts tun können, um mir zu helfen. Also vergib dir endlich selbst! Ich habe dir schon vergeben, bevor wir uns begegnet waren! Lass mich gehen!“ Seine Worte klangen so weise wie die eines alten Mannes, der schon fast alles in seinem Leben gesehen und erlebt hatte.
    „Ich werde erwartet! Lass mich einfach los! Mir wird es gut gehen und du wirst dich ebenfalls besser fühlen.“
    Eine Träne rollte über meine Wange. Ich war noch nicht bereit, mir selbst zu vergeben.
    „Lass dir Zeit! Ich habe es nicht eilig!“
    Mein gesamter Körper bebte. Ich schluckte. Ich ließ alle Erinnerungen noch mal vor meinem inneren Auge ablaufen. Ich dachte an sein Lachen, an seinen unglaublichen Hunger bei unserer ersten Begegnung. Ich sah ihn noch einmal sterben auf eine so schreckliche Art und Weise. Sofort musste ich an meine Mutter denken. Wie sie und mein Vater ermordet wurden. Einfach so, ohne Grund. Ich dachte an all die glücklichen Erlebnisse mit meinen Eltern. Ich ließ mich von dem Gefühl von Freude durchströmen. Dann durchlebte ich erneut den schlimmsten Albtraum.
    Ich hörte sie alle schreien: meinen Vater, meine Mutter, meinen Bruder und den namenlosen Jungen aus dem Wald.
    „Lass los!“ Seine Stimme drang ganz leise an mein Ohr.
    Plötzlich war es vorbei. Ich hörte noch immer die Schreie, doch sie taten mir nicht mehr weh. Wenn ich jetzt an meine Eltern dachte, schmerzte es nicht mehr. Ich war zwar noch traurig, sehr sogar, doch ich fühlte mich nicht mehr verantwortlich für ihren Tod. Chraz war verantwortlich, nicht ich. Ebenso der Junge. Nicht ich war an seinem Tod schuld, sondern der widerliche Waldräuber, der ihn tot geprügelt hatte. Auch wenn ich nicht glücklicher war über den Tod dieser Menschen, konnte ich nun endlich sagen, dass mich keine Schuld traf.
    Ich hatte mir vergeben. Ich öffnete die Augen. Der Junge lächelte, dann löste sich seine Gestalt langsam auf, als würde der Wind sie verwehen. Er war frei, er war erlöst.
    Eine Weile starrte ich noch auf die Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, dann drehte ich mich zu Alec um. Er stand noch immer seiner Schwester gegenüber. Sie unterhielten sich.
    Ich ging auf sie zu, blieb jedoch stehen, als Alecs Lächeln auf einmal erlosch. Ganz leise konnte ich Emilia verstehen.
    „Alec, lass mich gehen! Diese Welt ist nichts für mich! Ich bin gestorben, weil es so kommen musste! Mach dich nicht länger dafür verantwortlich und lass mich los!“
    „Ich kann nicht!“
    „Natürlich kannst du! Alec, bitte! Wenn du mich zurückholst, werde ich für dich wieder da sein, aber nicht mehr für mich!“
    „Hör auf!“
    „Alec, ich habe meinen Platz in der Welt gefunden! Nun finde du auch deinen!“
    Alecs Blick war verzweifelt. Ich konnte ihn gut verstehen. Er hatte so lange darauf gewartet, mit seiner Schwester wieder vereint zu sein und nun? Nun verlangte sie von ihm, sie für immer zu verlassen. Für mich war die Vergebung nicht allzu schwer, wenn auch schmerzhaft im Herzen, da ich von Anfang an so erzogen wurde, nichts und niemanden zu verurteilen. Meine Eltern hatten mir beigebracht, die Welt mit eigenen Augen zu betrachten. Sie so zu sehen, wie ich sie sah. Und ich glaube, sie wollten mich auf diesen Tag vorbereiten. Sie wollten mich darauf vorbereiten, mir selbst zu vergeben.
    Ich hatte es geschafft, ich hatte gelernt, wie man vergibt. Jetzt musste es noch Alec lernen.
    Ich ging weiter auf die beiden zu. Emilia hatte nun die Hand ausgestreckt und streichelte Alecs Wange. Er blickte sie noch immer voller Entsetzen an.
    Ich trat neben ihn und wollte ihm die Hand auf die Schulter legen. Er wich mir aus und löste seinen Blick für einen kurzen Moment von seiner Schwester. Wir sahen uns für einen kurzen Augenblick in die Augen. Dann wandte sich Alec von mir ab und schaute Emilia wieder an.
    Diese lächelte ihn freudig an.
    „Du warst immer für mich da und hast mich beschützt. Du hast für mich Opfer gebracht, und das werde ich niemals vergessen. Aber nun ist die Zeit gekommen, Abschied zu nehmen.
    Ich wünschte, ich könnte sagen, wir sehen uns wieder, doch ich weiß es nicht! Ich weiß auch nicht, was mich erwarten wird, aber was ich weiß, ist, dass du immer mein Bruder

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