Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
wohl nicht«, hatte sie mit einem entwaffnenden Lächeln erwidert.
Neben den einfach zuzuordnenden Kürzeln gab es allerdings noch eines, das Suna nicht so leicht knacken konnte. Es war das Kürzel PS, das Saskia in den Wochen vor ihrem Tod immer wieder in ihrem Terminkalender notiert hatte.
»Pavel Svoboda?«, überlegte Suna laut. Dann aber schüttelte sie den Kopf. Unwahrscheinlich. So wie Svoboda von Saskia gesprochen hatte, war kaum davon auszugehen, dass sie sich regelmäßig getroffen hatten, nachdem Saskia Jörn geheiratet hatte. Zumindest hatte Saskia sicher keine Termine für Treffen mit ihm freigehalten. Sowohl Linda als auch Svoboda hatten Suna ja bestätigt, dass Saskias Exfreund sie belästigt hatte. Also musste es wohl es wohl noch eine andere Person geben, auf die das Kürzel passen könnte.
Suna rief Saskias Kontaktliste auf. Leider hatte sie nur die Vornamen und Telefonnummern notiert, daher suchte Suna nach einem Vornamen mit dem Anfangsbuchstaben P. In diesem Fall kam es ihr sehr entgegen, dass Saskia nur zu wenigen Menschen Kontakt gehabt hatte, denn schon nach kurzer Zeit wurde sie fündig. Hinter dem Namen Paul stand eine Handynummer.
Zuerst war Suna in Versuchung, einfach dort anzurufen, entschied sich aber dagegen. Falls dieser Paul wirklich etwas mit Saskias Tod zu tun hatte, wollte sie ihn nicht vorwarnen.
Also gab sie die Nummer einfach ins Suchfeld ihres Internetbrowsers ein. Die erste Schreibweise mit Schrägstrich brachte sie nicht weiter, genauso wenig wie die mit Bindestrich zwischen Vorwahl und Rufnummer. Erst als sie die internationale Variante eingab, indem sie die erste Null durch die +49 ersetzte, wurde sie fündig.
Es gab nur wenige Treffer, doch diese waren umso aussagekräftiger. Suna gelangte auf die Website eines Lübecker Architekturbüros. Als Besitzer des Handys war Paul Sheridan angegeben, der zusammen mit seinem Partner Rüdiger Tenstaage die Firma leitete.
Suna rief das Impressum auf und notierte sich die Adresse. Das Büro lag in der Lübecker Altstadt, gar nicht weit von ihrem eigenen entfernt.
»Wie praktisch, mein lieber Paul«, murmelte sie, »dann werde ich dir gleich morgen früh einen kleinen Besuch abstatten.«
*
Es war schon spät, als Jörn Christensen von der Arbeit nach Hause kam. Seitdem Saskia nicht mehr lebte, kam es ihm merkwürdig vor, in der Wohnung zu sein, die sie gemeinsam ausgesucht, gemietet und eingerichtet hatten. Es war leer ohne sie, und sogar die Luft schien anders zu riechen, als er den langen Flur betrat, von dem die restlichen Zimmer abgingen. Saskias Geruch fehlte, dachte er.
Saskia fehlte.
Seitdem sie nicht mehr da war, hatte er sich in die Arbeit gestürzt. Tagsüber funktionierte das so einigermaßen. Es gab genug Ablenkung, um ihn nicht ständig daran denken zu lassen, was passiert war. Doch abends traf ihn die Leere, in die er kam, wie ein Fausthieb ins Gesicht. Und ab und zu gab es sogar Augenblicke, in denen er zweifelte, ob er das Richtige getan hatte.
Er lief den Flur entlang bis zur Garderobe. Normalerweise wäre ihm seine Frau jetzt freundlich lächelnd entgegen gekommen, hätte ihm einen flüchtigen Begrüßungskuss auf die Lippen gedrückt und ihm gesagt, dass sie gleich essen konnten. Und der verführerische Duft aus der Küche hätte ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.
Saskia war eine sehr gute Köchin gewesen, obwohl ihre Mutter ihr in der Beziehung nichts gezeigt hatte. Doch sie hatte sich vieles selbst beigebracht. Sie hatte es geliebt, stundenlang in Kochbüchern nach neuen Rezepten zu suchen, sie auszuprobieren und ihren Mann immer wieder mit kulinarischen Leckerbissen zu verwöhnen. Mit der Zeit war sie immer besser geworden, und wenn es doch mal schiefgegangen war, hatten sie beide gelacht und sich vom Italiener zwei Straßen weiter eine große Pizza liefern lassen, die sie dann eng aneinandergekuschelt vor dem Fernseher gegessen hatte.
Seit Saskias Tod war die Küche allerdings kalt geblieben. Jörn hatte keinerlei Ehrgeiz, für sich allein zu kochen oder zu backen. Stattdessen ernährte er sich von den Fastfood-Läden der näheren Umgebung.
Er stellte die Tüte mit den gebratenen Nudeln, die er vom chinesischen Schnellimbiss um die Ecke mitgebracht hatte, auf die Kommode im Flur, streifte sich die Schuhe von den Füßen und begann, seine Jacke aufzuknöpfen.
Dabei fiel sein Blick auf das gerahmte Foto, das im Flur hing. Er nahm es von der Wand, betrachtete es eingehend, als sähe er es
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