Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
entgleisen und mit Wucht gegen einen Rammbock prallen.«
Suna dachte an ihre ehemalige Schwiegermutter, die aus einer alten Bankiersfamilie stammte und an Spießigkeit kaum zu überbieten war. »Das glaube ich auch«, gluckste sie. »Und ehrlich gesagt wäre ich gern dabei.«
»Nun aber mal im Ernst«, fuhr Rebecca fort. »Der Kerl hat tatsächlich schon so einiges auf dem Kerbholz, allerdings nur kleinere Delikte. Diebstahl, Beleidigung, zwei leichte Körperverletzungen, Verstoß gegen das BTM, Ruhestörung und so weiter. Natürlich ist alles möglich, aber bei seinen Vorstrafen ist nichts dabei, bei dem ich sagen würde, es würde auf einen Mörder oder Schwerkriminellen hinweisen.«
»Schade.« Suna seufzte leise. »Es hätte alles so einfach sein können. Aber eigentlich habe ich sowieso nicht daran geglaubt, dass er etwas mit Saskias Tod zu tun hat.« Sie erzählte Rebecca ausführlich von dem Gespräch mit Svoboda am Vormittag.
»Selbst wenn Saskia sich geweigert hat, die zehntausend Euro an ihn zu zahlen, wäre das bestimmt kein Grund für ihn gewesen, sie umzubringen. Dann hätte er sein Geld ja niemals bekommen«, schloss sie ihren Bericht. »Und falls er ein Exempel an ihr statuieren wollte, hätte er es ja kaum nach einem Selbstmord aussehen lassen. Außerdem war er ja wohl nicht so einer, der mehrere Mädchen am Start hat. Wen also hätte er abschrecken sollen?«
»Klingt logisch«, überlegte Rebecca. »Und was ist mit anderen Verdächtigen?«
»Im Moment gehe ich eigentlich davon aus, dass die Frau tatsächlich freiwillig gesprungen ist. Vermutlich war sie einfach so durcheinander, dass sie gar nicht mehr daran gedacht hat, einen Abschiedsbrief zu schreiben. Aber mein Auftrag ist ja nun mal, alle Möglichkeiten abzuklopfen. Wenn man allerdings die geringe Wahrscheinlichkeit in Betracht zieht, dass es doch Mord war, würde ich am ehesten auf den Ehemann tippen, Jörn Christensen. Vielleicht hat er von der Vergangenheit seiner Frau erfahren und ist damit nicht klargekommen und hat beschlossen, seine Ehe auf diese Weise zu beenden. Allerdings hat er ein Alibi, er müsste also jemanden angeheuert haben, um Saskia von der Brücke zu stoßen.«
»Das hört sich an, als läge noch jede Menge Arbeit vor dir«, bemerkte Rebecca. »Vor mir aber auch, deshalb sollte ich jetzt endlich weitermachen. Der Fall Baudelhoff wartet.«
»Verstehe. Danke für deinen Anruf. Du hast was gut bei mir. Vielleicht lade ich dich demnächst im Gegenzug mal zum Essen ein, okay?«
»Gern. Und Robert würde sicher auch mitkommen.« In Rebeccas Stimme lag ein süffisantes Lächeln.
Suna schüttelte amüsiert den Kopf. Ihre Schwägerin würde wahrscheinlich nie aufhören, sie wieder mit ihrem Exmann zusammenbringen zu wollen. »Du kannst es einfach nicht lassen, oder?«
Rebeccas Lachen drang hell durchs Telefon. »Nicht in diesem Leben und im nächsten auch nicht«, bestätigte sie gut gelaunt. »Aber im übernächsten werde ich es vielleicht versuchen.«
*
Zwei Stunden später lehnte sich Suna erschöpft auf ihrem Bürostuhl zurück und strich sich mit beiden Händen durch die kurzgeschnittenen Haare. Ihre Klientin hatte absolut recht gehabt, als sie erwähnt hatte, dass in Saskias Terminkalender nur kryptische Kürzel verzeichnet waren.
Ein paar davon immerhin hatte Suna entziffern können. So stand das große J anscheinend für ihren Ehemann Jörn, mit dem sie häufig zum Essen oder ins Kino verabredet gewesen war, L für Linda und Dr. Z für Frau Dr. Zeisig, die Psychologin, bei der Saskia in Behandlung gewesen war. Die Termine bei ihr waren regelmäßig alle zwei Wochen eingetragen, immer zur gleichen Zeit.
Suna hatte Frau Dr. Zeisig schon am Tag, nach dem sie den Auftrag übernommen hatte, in ihrer Praxis besucht. Die Psychologin hatte sich aber vehement geweigert, irgendeine Auskunft über eine ihrer Klientinnen zu geben. Sie hatte nicht einmal bestätigt, dass Saskia überhaupt jemals bei ihr gewesen war.
»Ich würde Ihnen wirklich gern helfen, aber meine Klienten gehen mir über alles«, hatte sie bei ihrem Besuch immer wieder betont. »Ich sichere ihnen grundsätzlich absolute Vertraulichkeit zu, und das gilt auch über den Tod hinaus, solange der Klient nichts anderes verfügt hat.«
»Das heißt, Saskia Christensen hat nichts anderes verfügt?«, hatte Suna sofort nachgehakt.
Doch natürlich war die Psychologin nicht in Sunas kleine Falle getappt. »Sollte sie meine Klientin gewesen sein, hätte sie das
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