Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
potentielle Auftraggeber zu machen. Allein die Miete für die Büroräume musste locker das Zehnfache dessen betragen, was Suna für ihre kleine Detektei zahlte.
Hier klopft bestimmt keine Heizung so laut wie ein Presslufthammer, dachte Suna amüsiert. Ihr Vermieter sparte grundsätzlich an allen Ecken und Enden. Vor allem die Heizungsanlage im Haus war ziemlich marode, und eine Isolierung war so gut wie nicht vorhanden. Daher war es in ihrem Büro es im Winter lausig kalt, während man im Sommer fast wegschmolz. Für sie hatte das immerhin den Vorteil, dass die Miete trotz der guten Lage einigermaßen bezahlbar war.
Bei Tenstaage&Sheridan dagegen war die Raumtemperatur durch ein ausgeklügeltes Klimasystem bis auf das Zehntelgrad genau reguliert. Exakte Wohlfühltemperatur, schoss es Suna durch den Kopf. Passend zum restlichen Wohlfühlambiente. Wahrscheinlich musste das so sein, dachte sie ungerührt. Hier verkaufte man in erster Linie ein Image, und zwar ein Image des perfekten Wohnens und Arbeitens.
Zu diesem Image passte auch die langmähnige Empfangsdame, die hinter einem nussbaumfarbenen Tresen saß und mit schlanken, perfekt manikürten Fingern auf eine Tastatur einhämmerte. Sie bedachte Suna mit einem ebenso perfekten, professionellen Lächeln, das keinerlei Gefühlsregung enthielt. Ein kleines Metallschildchen an ihrer Bluse wies sie als Celina aus.
»Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?«, fragte sie höflich.
»Moin.« Suna versuchte, ein halbwegs entsprechendes Lächeln hinzubekommen, schaffte es aber nicht ganz. Sie würde niemals so perfekt wirken. »Mein Name ist Suna Lürssen. Ich habe in zehn Minuten einen Termin mit Herrn Sheridan«, behauptete sie dreist.
Sie hatte sich auf dem Weg zum Architekturbüro überlegt, wie sie das Gespräch mit Paul Sheridan am besten aufziehen sollte, um so viel wie möglich über seine Verbindung zu Saskia zu erfahren. Der erste Schritt dazu war, überhaupt zu ihm durchgelassen zu werden. Viele Leute wurden nervös, wenn ein Privatdetektiv etwas von ihnen wollte, selbst wenn sie eigentlich gar nichts zu verbergen hatten. Dementsprechend häufig war sie schon von diversen Vorzimmerdrachen abgewimmelt worden. Daher hatte sie beschlossen, sich ein wenig kreative Freiheit zu erlauben.
Während Celina erst ruhig, dann immer unruhiger auf ihrem Monitor herumsuchte, begann ihre professionelle Fassade kleine Risse zu bekommen. Hektische rote Flecken zeichneten sich unter ihrer Make-Up-Schicht ab.
»In welcher Angelegenheit kommen Sie, sagten Sie?«, wandte sie sich an Suna.
Diese spielte ihre Rolle perfekt, auch wenn sie ein paar deutliche Gewissensbisse spürte. Sie legte eine leichte Empörung in ihren Blick.
»Ich bin von der Melchior AG«, sagte sie, als sei es völlig unmöglich, dass die Empfangsdame ihren Namen nicht kannte. »Ich komme wegen des Projekts in der Hafencity.«
Die hektischen Flecken auf Celinas Wangen wurden immer dunkler. »Ja, natürlich«, stammelte sie. »Einen Moment, ich bin sofort wieder bei Ihnen.«
Trotz ihres schlechten Gewissens beobachtete Suna amüsiert, wie Celina eilig hinter einer imposanten Tür aus zum Tresen passenden Nussbaumholz verschwand. Dass ihr Auftritt Panik bei der Sekretärin auslösen würde, hatte sie schon vorhergesehen. Immerhin war das Hamburger Hafencity-Projekt mit mehreren Bürogebäuden und dem Umbau von ehemaligen Fabrikhallen in sündhaft teure Lofts das wichtigste, an dem Sheridans Firma jemals beteiligt gewesen war.
Um ihren Auftritt perfekt zu machen und nicht sofort aufzufliegen, hatte sie sogar ihr Business-Outfit aus dem Schrank geholt, das sie sich einmal für einen Fall von Wirtschaftsspionage angeschafft hatte. Statt ihrer üblichen Jeans trug sie nun ein dunkelgraues Kostüm mit schmalem Rock, eine weiße Bluse und halbhohe Pumps.
Hinter der Tür ertönten laute Stimmen. Ein Mann polterte los. Seine durch die schwere Tür gedämpften Worte waren zwar nicht zu verstehen, aber es war deutlich zu hören, wie aufgebracht er war. Offensichtlich bekam die Empfangsdame gerade ordentlich einen auf den Deckel, weil sie den wichtigen Termin nicht eingetragen hatte. Suna nahm sich im Stillen vor, ihr demnächst als Entschädigung eine Schachtel Pralinen zukommen zu lassen. Ihrer Meinung nach war Schokolade das einzige Mittel, das wirklich gegen Stress half, abgesehen natürlich von Eiscreme mit Sahne.
Die Tür öffnete sich wieder einen Spaltbreit, aber noch kam niemand aus dem Büro.
»Was kann
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