Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
starrte Suna an. Wartete, dass sie ihm eine Frage stellen würde.
Doch Suna schwieg. In ihrem Lächeln lag keinerlei Freundlichkeit mehr. Sie sah ihn nur weiter an und ließ die Zeit für sich arbeiten. Keine Fragen zu stellen war manchmal eine ausgesprochen erfolgreiche Verhörmethode. Ließ man den anderen zappeln, wurde ihm das Schweigen so unangenehm, dass er von sich aus zu reden begann. Auf diese Weise war sie schon an manche Information gekommen, nach der sie niemals gefragt hätte.
Abgesehen davon hatte sie auch keine Ahnung, wonach sie fragen sollte. Sie wusste ja nicht einmal, ob Saskia Sheridan privat getroffen oder beruflich mit ihm zu tun gehabt hatte. Möglicherweise war alles ganz harmlos.
Sheridans Reaktion sagte allerdings etwas ganz anderes. Sein Blick begann hin und her zu jagen, als suche er einen Halt, fand aber keinen. Und als er sich aus einer Karaffe ein Glas Wasser eingoss, wirkten seine Bewegungen fahrig. Diesmal bot er Suna nichts an.
»Es ist schrecklich, was mit Saskia passiert ist«, stammelte er nach einer Weile. »Als ich davon gehört habe, war ich natürlich völlig schockiert. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.« Er brach ab und sah Suna an. Dabei spielten seine Finger nervös mit dem Flaschenöffner herum.
Die Detektivin war noch nicht bereit, ihr Schweigen zu brechen. Sie wusste jetzt immerhin, dass es sich bei dem Kürzel PS in Saskias Terminkalender wirklich um Paul Sheridan handelte. Aber was verband die beiden? Eine Affäre? Irgendwelche Geschäfte? Oder steckte etwas ganz anderes dahinter?
Um Sheridan zum Weiterreden zu animieren, zog sie skeptisch eine Augenbraue nach oben.
Er reagierte prompt darauf. »Bitte glauben Sie mir, es tut mir wirklich leid, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass sie so etwas machen würde. Wenn ich auch nur im entferntesten auf die Idee gekommen wäre, sie könnte sich das Leben nehmen, hätte ich doch etwas unternommen.«
Er wollte noch weitersprechen, überlegte es sich aber plötzlich anders. Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. »Woher wissen Sie eigentlich von mir und Saskia?«
Suna versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie ertappt worden war. »Wir beide hatten keine Geheimnisse voreinander«, log sie dreist.
»Verstehe.« Sheridans Blick schweifte zum Fenster hinüber, von dem man eine fantastische Aussicht auf die Trave hatte. Aber die schien er momentan nicht wahrzunehmen. Plötzlich lachte er freudlos auf. »Sie hat mir geschworen, niemandem etwas zu erzählen. Aber es war ja klar, dass sie das nicht konnte. Dabei hat sie von sich selbst doch kaum etwas preisgegeben. Ganz geheimnisvoll hat sie immer getan, also dachte ich, sie könnte wirklich schweigen. Aber ihr Frauen habt doch immer eine beste Freundin, der ihr alles anvertraut, oder?«
Suna überlegte schnell. Nach einer geschäftlichen Beziehung hörten sich Sheridans Äußerungen absolut nicht an, eher privat. Extrem privat sogar. Sie wagte einen Schuss ins Blaue.
»Saskia meinte, sie wäre vielleicht schwanger.«
Sheridan sah aus, als hätte man ihn geohrfeigt.
»Schwanger?«, wiederholte er heiser. »Von mir? Oder von ihrem Mann?«
»Keine Angst, sie war es nicht«, beruhigte ihn Suna schnell. Vielleicht war sie doch etwas zu weit gegangen. Aber immerhin hatte sich ihr Täuschungsmanöver gelohnt. Sie wusste jetzt nicht nur, dass Saskia mit Sheridan eine Affäre gehabt hatte, sondern auch, dass er darüber im Bilde war, dass sie verheiratet gewesen war.
»Oh mein Gott.« Sheridan stand auf und begann, unruhig im Raum auf und ab zu laufen. »Meinen Sie, sie hat sich deswegen ...« Er vollendete den Satz nicht.
Suna schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht. Aber ich habe keine Ahnung, weswegen sie nicht mehr weiterleben wollte. Das versuche ich ja gerade herauszufinden.«
Sie beobachtete Sheridan, der völlig in seine Gedanken versunken weiter herumlief. Plötzlich blieb er jedoch stehen, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und sah Suna nachdenklich an.
»Ich fürchte, ich kann Ihnen dabei nicht weiterhelfen«, sagte er schließlich. »Das mit uns war eine ganz kurze Sache. Wir waren nicht einmal vier Wochen zusammen. Es war schon vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Und wie gesagt hat sie kaum etwas von sich selbst erzählt. Es ging bei uns wohl eher um« – er räusperte sich – »die rein körperliche Anziehung.«
»Vielleicht hat Saskia die Trennung von Ihnen nicht verkraftet.«
Sheridan blickte überrascht auf.
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