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Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Wassermann
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ihn das Licht manchmal. Doch dass seine Entführer ihm eine neue Lichtquelle zugestehen würden, bezweifelte er. Und ständige, vollkommene Dunkelheit wäre noch viel schwerer auszuhalten. Also ertrug er die Beleuchtung so gut es eben ging. Er wusste allerdings nie, ob es gerade Tag oder Nacht war, ein Umstand, der ihn mehr verwirrte, als er es jemals für möglich gehalten hätte.
    Zudem ließ ihn das kalte Licht die Kälte im Raum noch deutlicher spüren.
    Tenstaage starrte auf die kleine Öffnung direkt unterhalb der niedrigen Decke, aus der ständig Luft in die Kammer strömte. Kalte, feuchte Luft. Wie Hohn wirkten die schmalen Streifen aus metallisierter Folie, die jemand an den Lüftungsschlitzen angebracht hatte. Sie bewegten und drehten sich im stetigen Luftstrom. Andererseits musste er froh sein, dass sein Gefängnis überhaupt belüftet wurde. Er wollte sich gar nicht vorstellen, wie lange er sonst in dem winzigen Raum durchgehalten hätte, ohne zu ersticken.
    Trotzdem spürte er in sich eine irrationale Wut auf den kalten Luftstrom aufsteigen, der seinen Körper immer weiter auskühlte. Er hatte gehofft, dass er sich nach einiger Zeit daran gewöhnen würde, doch das Gegenteil war der Fall. Alles in dem Raum fühlte sich kalt an, der Boden, die Wände, die Luft. Und je länger er der Kälte ausgesetzt war, umso mehr schien sie ihm bis in die Knochen zu kriechen.
    Schlimmer noch, er spürte die ersten Anzeichen einer Erkältung. Sein Kopf dröhnte stärker als in den ersten Tagen seiner Gefangenschaft, der Hals kratzte und jeder Atemzug brannte in seinen Bronchien. Er wusste, dass eine Lungenentzündung in dieser Umgebung, ohne Wärme und ohne Medikamente, seinen sicheren Tod bedeuten konnte.
    Er schlang seinen wärmenden Wollmantel enger um sich. Trotz allem musste er seinen Entführern ja regelrecht dankbar sein, dass sie ihm den Mantel gelassen hatten, ebenso wie die Schuhe, aus denen sie allerdings die Schnürsenkel entfernt hatten.
    Er lachte spöttisch auf. Als wenn er sich damit etwas hätte antun können. Selbst wenn er es wollte, hätte er keine Möglichkeit gehabt, die Schnürsenkel irgendwo festzubinden, um sich daran zu erhängen. Das Gitter vor der Lüftung war mit Sicherheit nicht stabil genug, und ansonsten gab es nur noch die Halterung der Leuchtstoffröhre, die sein Gewicht nie hätte tragen können.
    Doch anscheinend hatten seine Entführer extreme Vorsicht walten lassen. Auch den Kugelschreiber, den einzigen spitzen Gegenstand, den er bei sich getragen hatte, hatten sie aus der Innentasche seines Jacketts entfernt.
    »Immerhin wollen sie, dass ich am Leben bleibe«, murmelte Tenstaage.
    Aber wozu? Was wollten sie überhaupt von ihm?
    In der ersten Zeit hatte er geglaubt, dass es um irgendetwas Geschäftliches ging, dass ihn die ganze Aktion einfach einschüchtern sollte oder er irgendeinem Mafiaboss auf die Füße getreten war, ohne es zu merken. Vielleicht hatte sogar Paul Sheridan damit zu tun. Er hatte sich in letzter Zeit ziemlich seltsam verhalten, war immer wieder unter fadenscheinigen Vorwänden aus dem Büro verschwunden.
    Aber je länger seine Gefangenschaft angedauert hatte, umso unsicherer war Tenstaage geworden. Sicher, in seiner Branche wurde manchmal mit extrem harten Bandagen gekämpft, aber was im Moment passierte, ging einfach viel zu weit.
    Doch was wollten sie dann? War er einem psychopathischen Irren in die Hände gefallen, der Spaß daran hatte, andere zu quälen? War er einfach ein zufällig ausgewähltes Opfer geworden, als er damals die Tiefgarage betreten hatte?
    Er schüttelte den Kopf. Daran glaubte er nicht. Die Blondine hatte auf ihn gewartet, und sie hatte Bescheid gewusst, wann und wo sie ihn am besten abpassen konnte. Es war eine perfekt geplante Aktion gewesen. Und auch sein Verlies musste in einem guten Versteck liegen, sonst hätte die Polizei schon längst seine Spur aufgenommen und ihn befreit.
    Und Lucia? War sie vielleicht in die Geschichte verwickelt?
    Auch das konnte er sich nicht vorstellen. Seine Ehe lief zwar nicht besonders gut, aber dass seine Ehefrau sich einen so perfiden Plan ausdachte, um ihn loszuwerden, war mehr als unwahrscheinlich. Dafür war sie erstens viel zu gutmütig und zweitens viel zu blöd.
    Nein, es musste etwas anderes sein. Er zweifelte nicht daran, dass er es irgendwann erfahren würde.
    Vielleicht früher, als ihm lieb war.

*
    Ungläubig starrte Suna auf den Monitor von Saskias Laptop. Als sie die ersten beiden

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