Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Harmonie und Glück. Sie konnten unmöglich gespielt sein.
Wie konnte es sein, fragte sie sich, dass dieses Glück so schnell zu Ende gegangen war? Nicht einmal ein Jahr später hatte Saskia eine Affäre mit Paul Sheridan angefangen, und es war durchaus möglich, dass es nicht das erste Mal gewesen war, dass sie ihren Mann betrogen hatte. Für Christensen musste es ein harter Schlag gewesen sein, falls er davon erfahren hatte. Und Eifersucht war als Mordmotiv durchaus denkbar.
Wie Suna es auch drehte und wendete, bisher gab es kaum jemand, der sonst noch als Verdächtiger infrage kam. Saskias Mann war eindeutig derjenige gewesen, der das stärkste Motiv hatte, ihr etwas anzutun.
Als die Privatdetektivin beim letzten Foto angekommen war, schloss sie den Ordner enttäuscht. Sie hatte nichts entdeckt, absolut nichts, was sie auch nur einen winzigen Schritt weitergebracht hätte. Dabei hatte sie so viel Hoffnung in die Durchsuchung des Laptops gesetzt. Doch außer den Fotos schien sich auf dem gesamten Computer nichts Persönliches von Saskia zu befinden. Suna hatte sämtliche gespeicherten Dateien durchgesehen, sich die erhaltenen und gesendeten E-Mails angeschaut, sogar den Verlauf des Internet-Browsers durchsucht, ob Saskia auffällige Internetseiten besucht hatte. Nicht einmal das war der Fall gewesen. Eine Wetter-Seite, die sie immer wieder aufgerufen hatte, eine Seite mit lokalen und überregionalen Nachrichten, ein paar Shopping-Seiten, mehr war nicht zu finden gewesen.
Entweder, dachte Suna enttäuscht, war Saskias Leben wirklich stinklangweilig gewesen, oder jemand hatte sich an dem Laptop nach ihrem Tod zu schaffen gemacht und alle Dateien und Mails, die irgendeinen Hinweis hätten enthalten können, gelöscht. Und dafür kam eigentlich wieder nur ihr Mann infrage. Er war der Einzige gewesen, der nach Saskias Tod uneingeschränkten Zugang zu dem Computer gehabt hatte.
Suna überlegte, ob sie den Laptop zu Kobo bringen sollte.
Kobo hieß eigentlich Goran Kobosevic und war im Umgang mit Computern der versierteste Mensch, den Suna kannte. Sie hatte ihn kennengelernt, als sie einige Jahre zuvor für eine große Hamburger Detektei gegen eine Bande kriminelle Hacker ermittelt hatte. Dank Suna war Kobo damals mit einer wesentlich geringeren Strafe davongekommen, als er eigentlich verdient gehabt hatte, und seitdem arbeitete er ab und zu für sie. Für ihn wäre es wahrscheinlich eine leichte Aufgabe, vor Kurzem gelöschte Dateien aufzuspüren und wiederherzustellen.
Sie würde mit Linda darüber reden, beschloss Suna. Ihre Auftraggeberin musste schließlich auch die zusätzlichen Kosten übernehmen, wenn sie mit der genaueren Untersuchung des Laptops einverstanden war.
Vorher wollte Suna aber noch die Fotos auf ihren eigenen Computer übertragen. Vielleicht ergaben sich in den nächsten Tagen doch noch neue Hinweise, aufgrund derer sie die Bilder später noch einmal durchgehen wollte.
Sie zog ihre Schublade auf und kramte nach ihrem USB-Stick, mit dem sie normalerweise Daten übertrug, fand ihn aber nicht. Als ihr einfiel, dass sie ihn vor ein paar Tagen mit in ihre Wohnung genommen hatte, stieß sie einen leisen Fluch aus. Wenn sie sich richtig erinnerte, lag er jetzt auf der Küchentheke, direkt neben der Kaffeemaschine.
Na gut, es würde auch anders gehen.
Sie rief Saskias Mailprogramm auf. In der Hoffnung, dass Jörn noch nicht dazu gekommen war, den Account seiner Frau sperren oder gar löschen zu lassen, klickte sie auf den Neue Mail -Button und begann, ihre eigene E-Mail-Adresse in das dafür vorgesehene Feld zu schreiben. Sie hatte gerade erst das S und das U getippt, als sie plötzlich abrupt innehielt. Sprachlos starrte sie auf den Bildschirm.
*
Er konnte nicht sagen, was ihm mehr zusetzte: das ständig eingeschaltete Licht aus der Neonröhre über ihm oder die Kälte, die in seinem Verlies herrschte.
Tenstaage fühlte sich müde und erschöpft. An erholsamen Schlaf war in seiner Zelle nicht zu denken, und das lag nicht einmal an seiner Schlafstätte auf dem harten, kalten Fliesenboden. Vielmehr war es das blendende Licht, das ihm durchgängig von der niedrigen Decke entgegenstrahlte. Die unnatürliche Intensität und Farbe ließ seinen Schlaf unruhig werden. Immer wieder wachte er auf, selbst wenn er versuchte, sein Gesicht mit dem dicken Stoff seines Mantels abzuschirmen. Mehr als einmal war er schon in Versuchung gewesen, die verdammte Leuchtstoffröhre einfach einzuschlagen, so sehr störte
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