Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Notfall sein. Oder ...
»Hallo Suna, ich habe deine E-Mail wiederhergestellt. Das ist echt ein starkes Stück, das muss ich schon sagen. Warte, ich lese es dir vor ...«
»Verdammt noch mal, Kobo, hast du mal auf die Uhr gesehen?«, unterbrach ihn Suna gereizt. Sie musste sich von dem Schreck erst einmal erholen. Ihr Herz klopfte immer noch so heftig, dass sie meinte, Kobo müsste es sogar durchs Telefon hören können. Außerdem war sie erst vor knapp zwei Stunden eingeschlafen.
Nach dem Telefonat mit Saskias Freundin Tamara hatte sie noch lange vor ihrer Magnettafel gesessen und versucht, ihre Gedanken zu ordnen. Immer wieder hatte sie die Zettel mit den Namen der Beteiligten umgehängt und versucht, die Verbindungen zwischen ihnen zu ergründen. Aber je länger sie über den Fall nachgegrübelt hatte, umso undurchsichtiger war er ihr vorgekommen. Inzwischen hatte sie zwar die Theorie verwerfen können, dass Jörn seine Frau hatte töten lassen, weil er mit ihrer Vergangenheit nicht klarkam, aber wirklich weitergeholfen hatte ihr das nicht.
Frustriert war sie kurz nach Mitternacht ins Bett gegangen. Dass sie dann noch lange wach gelegen und weitergegrübelt hatte, war ihrer Laune auch nicht gut bekommen.
»Du reißt mich hier mitten in der Nacht aus dem Schlaf, um mir eine E-Mail vorzulesen?«, beschwerte sie sich. »Hätte das nicht bis morgen früh Zeit gehabt?«
»Ich kann doch nichts dafür, wenn du um diese Zeit schläfst, während andere Leute schwer arbeiten«, gab Kobo in unschuldigem Ton zurück.
Suna konnte sich bildlich vorstellen, wie er dabei mit seinen langen Wimpern klimperte wie ein Hollywoodstar aus den Fünfzigern – ein weiblicher, versteht sich.
»Ich hab vorhin das zehnte Level gepackt«, fuhr er fort, »und da dachte ich, ich mach mal ‘ne kurze Pause und sehe mir den Laptop an, den du vorbeigebracht hast. Das Ding ist echt der letzte Mist, total lahmarschig. Dass sich die Leute immer noch so einen Scheiß kaufen, versteh ich nicht. So langsam sollten die es doch auch kapieren.«
»Kobo«, begann Suna, doch er lachte nur.
»Jaja, ich weiß, darum geht es nicht, sondern um die wiederhergestellten Dateien. Viele waren es nicht, und wenn ich das richtig beurteilen kann, war es auch nur stinklangweiliger Kram, mit Ausnahme von dieser einen E-Mail. Die ist echt der Knaller. Die Christensen hat sie vor ungefähr vier Wochen geschrieben.«
Suna ließ den Kopf wieder auf das Kissen fallen und rieb sich über die Stirn, während Kobo begann, den Text vorzulesen, den Saskia an Susanne Baudelhoff geschickt hatte. Doch schon nach Kobos ersten Worten war sie hellwach. Sie fuhr hoch, schnappte nach Luft und hörte sich atemlos den Rest der Nachricht an.
» Bringen Sie die 10.000 Euro heute Nachmittag um 15:00 zur Puppenbrücke. Wir treffen uns an der Neptun-Statue. Und zu niemandem ein Wort!
Wenn Sie nicht zahlen oder irgendwelche miesen Tricks probieren, geht alles direkt an die Presse. «
*
Für den Rest der Nacht fand Suna keinen Schlaf mehr. Sie wälzte sich in ihrem Bett hin und her und grübelte über die Bedeutung all dessen nach, was sie in den letzten Stunden erfahren hatte. Immer deutlicher begann sich herauszukristallisieren, das zwischen den Geschehnissen ein Zusammenhang bestand. Doch Suna hatte immer noch keine Ahnung, wie dieser aussehen könnte.
Gegen fünf Uhr beschloss sie, dass es keinen Sinn mehr machte, noch länger im Bett zu bleiben. Also stand sie auf und setzte sich mit einer großen Tasse Milchkaffee an den winzigen Tisch in ihrer Küche. Ganz in Ruhe blätterte sie noch einmal alle Zeitungsartikel über Susanne Baudelhoff durch, die sie am Tag zuvor aus ihrem Büro mitgebracht hatte, ohne allerdings auf interessante Neuigkeiten zu stoßen, die sie vorher übersehen hatte.
Kurz nach sieben Uhr wagte sie es schließlich, zum Telefon zu greifen und Rebeccas Handynummer zu wählen.
»Moin, Suna«, meldete sich diese gut gelaunt. »Was treibt dich denn schon so früh morgens auf die Beine?« Sie wusste, dass ihre ehemalige Schwägerin keine Probleme hatte, bis spät in die Nacht zu arbeiten, diese Tugend aber durch extreme Morgenmuffeligkeit wieder ausglich. Bei so wenig Schlaf wie in dieser Nacht wäre Suna normalerweise am Morgen mindestens eine Stunde länger im Bett geblieben, gern auch zwei oder drei.
Aber es war nun einmal kein normaler Morgen.
»Du wirst nicht glauben, was ich heute Nacht erfahren habe«, platzte sie heraus. »Kobo hat die Mail
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