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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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eine Chance warten? Und wir brauchen nur zuzugreifen, und dann, in einem halben Jahr«, meine Stimme senkt sich zu einem lasziven Flüstern, »sind wir reich und berühmt. Kapierst du das, du alter Esel?«
    »Du meinst, wie Ian Schrager und Steve Rubell, die das legendäre Studio 54 in New York gemacht haben?«
    »Noch heißer, Alter. Diese beiden Jungs kennt in Moskau keine Sau, nur die paar Nasen, die die Szene-Magazine aus dem Westen im Original lesen. Und wer tut das schon?«
    »Ich hab aber keine Lust, an Aids zu sterben«, lacht Vadim. »Kann man einen Club aufmachen, ohne irgendwann an Aids zu sterben?«
    »Alter, Rubell war eine Tunte, vergiss das nicht! Und du bist keine Tunte, oder sehe ich das falsch? Hast du vielleicht heimlich ein paar heiße Jungs an der Hand? Na los, gib’s zu, hast du deinen neuen Azubi entjungfert?«
    »Mann, leck mich doch! Aber hör mal, die Sache ist tatsächlich interessant. Sogar sehr interessant. Wie wollen sie das Geld eigentlich haben? Cash?«
    »Das habe ich noch nicht geklärt. Erstmal müssen wir uns die Räume ansehen und alle Formalitäten besprechen.«
    »Wann musst du ihm Bescheid geben?«
    »Ich habe versprochen, ihn bis ein Uhr anzurufen.«
    »Das heißt, ich habe knapp anderthalb Stunden, um mich zu entscheiden?«
    »Ach komm, Alter, du hast dich doch schon entschieden, du willst es nur noch nicht wahrhaben. Pass auf, wir machen
es so: Ich geh jetzt aufs Klo, und wenn ich wieder rauskomme, fallen wir uns in die Arme, und du quatscht irgendwas wie: Partner, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie klasse ich das finde.«
    »Hahaha! Und dann knutsche ich dich heiß und innig, was?«
    »Du gibst mir einen Kuss auf die Nase. Die Nase, die ich in den Wind halte. Du kapierst es immer noch nicht, aber ich habe dir die beste Nachricht des Jahres gebracht.«
    Ich verschwinde aufs Klo und stelle mich ans Pissbecken. Plötzlich muss ich daran denken, dass jeden Moment die Tür aufgehen könnte, irgendein Mitarbeiter der Firma käme herein und starrte meinen Rücken an, so wie man es nun mal tut, wenn man auf der Toilette seiner Firma einen Unbekannten antrifft. Dann würde er sich neben mich stellen und mir ins Gesicht blicken. Bei diesem Gedanken wird mir mulmig, ich gehe in eine Kabine und schließe die Tür hinter mir zu. Im Inneren der Kabine fühle ich mich aber noch mulmiger, weil mir sofort die Ereignisse des gestrigen Abends vor Augen stehen. Mir wird kotzübel. Ich reiße die Tür auf, setze mich auf die Kloschüssel und stecke mir eine Zigarette an. Wie es aussieht, habe ich mir gestern eine neue Phobie eingefangen. Eine Art Toilettenparanoia. Ich rauche und überlege mir, dass es vielleicht keine schlechte Idee wäre, mal einen Psychiater aufzusuchen, oder ein paar Antidepressiva einzuwerfen, oder ins Fitnessstudio zu gehen, oder Vegetarier zu werden! Grübelnd betrachte ich die Klopapierrolle, die rechts neben mir an der Wand hängt, dann schaue ich nach links und entdecke ein kleines Plastikregal genau in Augenhöhe. Schlagartig habe ich
gute Laune. Ich begreife, dass ich nur deshalb nervös bin, weil ich nach dem gestrigen Vorfall noch immer unter Stress stehe und außerdem wirklich Schiss habe, Vadim könnte absagen. Ich werfe die Zigarette ins Klo und gehe zurück ins Büro.
    Vadim sitzt an seinem Schreibtisch und telefoniert. Als ich den Raum betrete, legt er gerade den Hörer auf.
    »Du hast sogar in deiner Bürotoilette ein kleines Regal«, sage ich lachend.
    »Was soll man machen? Man passt sich halt dem allgemeinen Trend an. Wir sind doch Marktologen, oder etwa nicht?«
    »Soll das heißen, ihr zieht euch da tatsächlich Schnee in die Nase? Habt ihr ein Rad ab?«
    »Das kommt gelegentlich vor. Aber jetzt mal ernst. Es gibt einen Wachmann, der während der Arbeitszeit an einem Monitor sitzt und diese Klos überwacht. Einer meiner Mitarbeiter hat ihn mal im Café Poison getroffen, zugeknallt bis unter die Schädeldecke. Sie sind dann zusammen noch irgendwohin weitergezogen und haben Ecstasy eingeworfen. Und jetzt macht dieser Kollege sich manchmal den Spaß, auf dem Klo eine Line reinzuziehen, quasi direkt unter den Augen dieses Wachmanns. So als kleine nette Verarschung, hahaha. Danach erzählt er mir jedes Mal, wie er beim Sniffen Zeichen in die Überwachungskamera macht, so in der Art ›Was ist, soll ich dir was übrig lassen‹. Und dann lacht er sich schlapp. Jeder versucht halt auf seine Art, ein wenig Abwechslung in den Arbeitsalltag zu bringen. Du

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