Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
kennst den Typen übrigens, es ist Maxim, der bei uns die Entwürfe macht. Ziemlich talentierter Junge.«
»Ich sehe schon, bei euch gibt es jede Menge Talente. Sogar die Wachleute machen Promotion. Na gut, ich gehe dann mal. Wenn du es dir überlegt hast, ruf mich an.«
Vadim steht wieder auf, geht zum Fenster, vom Fenster zur Tür, dann wieder zurück zum Schreibtisch, schiebt seinen Sessel hervor und stellt ihn vor mich hin. Dann lässt er sich umständlich darin nieder und fragt:
»Hör mal, Partner in spe, wie viel kannst du dir effektiv ausleihen?«
»Wie ich sagte, fünfzig, mehr nicht. Was ist los, kannst du gerade kein Geld flüssigmachen?«
»Nein, nein, ich habe nur überlegt, ich fände es spitze, wenn du dir fünfundzwanzig zusätzlich ausleihen könntest. Dann gingen wir halbe-halbe, das wäre doch optimal.«
»Na gut, so machen wir’s. Aber erst mal müssen wir die Räume ansehen und die ganzen Papiere überprüfen. Wann kannst du?« »Wie wär’s mit heute Abend, so gegen sieben? Ich denke, es kommt vor allem auf die Formalitäten an. Der Club selbst wird sowieso ein Hit, oder nicht? Deshalb steigen wir ja ein.«
»Okay. Vadim, ich rufe Mischa an und verabrede mich mit ihm um sieben Uhr. Jetzt muss ich zur Arbeit.«
»Gehst du wieder in dein KZ?«
»Ja. Arbeit macht frei!«
»Du bist sowieso viel zu frei, oder etwa nicht?« Vadim hält den Finger unter die Nase.
»Jeder nach seiner Façon.« Ich steche mir eine imaginäre Nadel in den Unterarm.
»Ach, scher dich zum Teufel! Hau bloß ab, du Witzbold.«
Im Fahrstuhl steht eine umwerfende Braut neben mir. Sie trägt einen eng anliegenden Hosenanzug und darunter eine weiße Bluse, die ein klein wenig weiter geöffnet ist, als die Business-Etikette es gestattet, so weit, dass sie zu einem freizügigen Blick auf einen knallroten BH einlädt.
Sie hat lange helle Haare, volle, leicht aufgeworfene Lippen und freche blaue Augen. So blau, dass es eigentlich nur Kontaktlinsen sein können. Sie spricht in ihr Handy und trommelt mit den langen manikürten Fingernägeln der freien Hand an ihre Hüfte. Mit einem Wort: wahnsinnig sexy. Sexy bis zur Unanständigkeit, so sexy, dass ich die ganze Zeit nur daran denken kann, den Fahrstuhl anzuhalten und über sie herzufallen. Ihr das Jackett vom Leib zu reißen und mich an ihrer Brust festzusaugen. Außerdem suggeriere ich mir, dass sie gegen eine solche Entwicklung der Dinge gar nichts einzuwenden hätte.
Rechts von mir steht ein Typ, der in gewisser Weise noch interessanter ist. Ein ziemlich großer Mann in Jeans, absurd großen Bergschuhen und einer sackartigen Jacke. Er trägt eine tief in die Augen gezogene schwarze Basecap und eine unförmige Tasche über der Schulter. Er hat ein breitknochiges, etwas kindliches Gesicht, einen schwarzen Bart und trägt eine Brille mit unwahrscheinlich dicken Gläsern. Dem Aussehen nach würde ich ihn auf etwa vierzig Jahre schätzen. Die Kleidung, in Kombination mit der Kappe und dem Bart, geben ihm Ähnlichkeit mit einem Wichtel. In Wirklichkeit ist er bestimmt ein ehemaliger wissenschaftlicher Angestellter mit einer langen Liste von Publikationen, der Jahre seines Lebens der Lösung einer hochinteressanten wissenschaftlichen Frage gewidmet hat, aber durch eine
Laune des Schicksals als Bürobote in dieser Firma gelandet ist. Jetzt steht er da und gafft die Blonde mit weit aufgerissenen Augen an, die hinter den dicken Gläsern riesenhaft wirken. Er lässt seinen Blick über ihren Körper wandern, errötet, und man kann gar nicht übersehen, wie scharf er auf sie ist. Plötzlich leuchten seine Augen auf, er strafft seine Schultern, öffnet den Mund, und einen Moment lang sieht es so aus, als wollte er gleich seine natürliche Schüchternheit über den Haufen werfen und sie ansprechen. Seine Hände lösen sich vom Körper wie bei einem Pinguin, der über einen Schneehaufen hüpfen will. Aber im nächsten Moment ist der Glanz in seinen Augen schon wieder erloschen, die Schultern erschlaffen, und der Kopf sinkt auf die Brust, als habe er auf einen Schlag die Unerfüllbarkeit seiner Sehnsüchte erkannt. Vielleicht ist ihm ja auch die Fabel vom Fuchs und den Trauben eingefallen. Dann kommt der Fahrstuhl im Erdgeschoss an, wir verlassen das Gebäude, die Blonde und der Kurier schlagen unterschiedliche Richtungen ein. Er bleibt einen Augenblick stehen, um ihr noch einen letzten Blick nachzusenden, dann zieht er wieder die Schultern zurück und geht mit forschem Schritt
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