Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless
wie viel Geld sich in meiner Tasche befindet. Und das alles, obwohl ich so eine Situation bisher noch nie erlebt habe.
Es vergeht eine weitere Viertelstunde, in der meine Arme immer gefühlloser werden. Endlich sage ich:
»Hört mal, Kollegen, können wir nicht langsam mit dem Quatsch aufhören? Ihr habt den Falschen erwischt. Ich bin kein Dealer, nur ein erfahrener User.«
»Seit wann sind wir denn Kollegen?«
»Okay, Mädels, geschenkt, aber können wir diesen Zirkus nicht trotzdem allmählich mal zum Ende bringen?«
Als Antwort empfange ich einen schmerzhaften Schlag in die Rippen, begleitet von dem Satz:
»Wir fahren jetzt mit dir aufs Revier und nehmen eine kleine Probe. Dann werden wir ja sehen, was los ist. In die Tasche gesteckt, dass ich nicht lache.«
Unterm Strich ist meine Situation also mehr als beschissen. Ich bin, wie man so schön sagt, voll in die Scheiße getreten.
In diesem Moment öffnet sich die Hintertür des Autos, und es erscheint, wie ein deus ex machina, Mischas Gesicht. Er sagt etwas zu dem rechts von mir sitzenden Bullen, der steigt aus, und nach einigen Minuten lässt er mich ebenfalls aussteigen. In aller Seelenruhe, wie ein Garderobier, schließt er mir die Handschellen auf, gibt mir Ausweis, Portemonnaie und Schlüssel zurück und sagt:
»Tschüs.«
Wie ein Schlafwandler stehe ich neben dem Auto, bis Mischa mich unter dem Arm nimmt und wegführt. Wir gehen zurück in den Club, setzen uns an einen Tisch, er gießt mir einen Whiskey ein und sagt:
»Alles in Ordnung, Alter, sie haben dich bloß mit jemandem verwechselt. So was kommt vor, entspann dich.«
»Wie viel schulde ich dir?«, frage ich.
»Vergiss es, alles okay. Es ist doch ganz normal, dass man einander hilft, wenn man kann.«
»Wo kamen die überhaupt her? Das war doch keine reguläre Razzia, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Komm, Alter, vergessen wir das. Es ist vorbei. Hauptsache, die Probleme sind bereinigt.«
»Ich verstehe das nicht. Und wo ist eigentlich der andere Typ hin? Der mit mir im Klo war? Der war auf einmal verschwunden. Wo ist der?«
»Hör schon auf, bitte!«, flüstert er mir ins Ohr und legt mir dabei den Arm um die Schultern. »Es gibt haufenweise Arschlöcher auf der Welt. Wir werden das irgendwann rauskriegen und uns revanchieren. Zerbrich dir jetzt nicht den Kopf. Die Sache ist erledigt, und fertig, ja?«
»Mischa, hör doch mal zu! Das ist doch kein Zufall, dass der auf einmal wie vom Erdboden verschwunden ist!«
»Alter, das ist alles Vergangenheit, das war alles gestern. Klaro? ES IST VORBEI! Morgen ist ein neuer Tag, ein neues Leben. Habe ich dir eigentlich schon mal die Geschichte von diesem Mädchen in Los Angeles erzählt, auf die ich so wahnsinnig heiß war, und wie ich mit zu ihr nach Hause gefahren bin und dann vor lauter Begeisterung dermaßen viel gesoffen habe, dass ich einfach auf dem Klo eingepennt bin?
Mann, als ich am anderen Morgen aufwachte, dachte ich, alles ist aus, das Leben ist zu Ende. Hab ich dir das schon erzählt oder nicht?«
Und ich begreife, dass er genau das Richtige macht. Er erzählt mir die dümmste Geschichte aus seinem Leben, um mich aus der Erstarrung herauszuholen, er dreht die Uhr gewissermaßen bis zu dem Zeitpunkt zurück, wo das alles noch nicht passiert war. Aber ich stehe noch immer unter Schock. Und ich fühle mich beschissen, weil ich so ein desolates Bild abgebe und vor allem, weil es ausgerechnet Mischa ist, der mich so sieht. Diese Situation ist von vorn bis hinten beschissen. Ich könnte hundert Mal hintereinander »danke« sagen, und er würde hundert Mal darauf antworten »Nichts zu danken«. Stattdessen sitzt er da und tröstet mich, und mir wird davon nur noch beschissener. Am Schluss versucht er, meine Lage mit seinem derzeitigen Problem zu vergleichen.
»Glaub mir, ich habe genau drei Tage, um das Geld für den Ausbau aufzutreiben. Das ist meine einzige Chance, koste es, was es wolle. Nur, verstehst du, heute Abend ist das noch ein Problem, aber morgen ist es schon keins mehr. Weil ich nicht zeigen kann, dass ich Probleme habe, sonst wäre es gleich aus mit mir. Und ich bin sicher, dass die Sache am Ende gut ausgehen wird. Irgendjemand wird mir helfen. Einfach, weil gute Freunde einander helfen müssen. Und dann ist das Leben wieder in Ordnung.«
Ich höre ihm zu, immer noch nicht wieder ganz bei mir, lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und versuche, in den Gesichtern der Menschen, die um mich herum sitzen, so
Weitere Kostenlose Bücher