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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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mich mit dem zweiten in der Hand auf den Weg, um zu sehen, was sonst noch so los ist.
    Vom zentralen Saal aus gelangt man in mehrere kleinere Räume. In zweien davon sind Bars eingerichtet, in drei weiteren Lounges oder VIP-Areas, wie es die stark zur Hypertrophie neigenden Moskauer Promoter nach guter russischer Art nennen. Dort gibt es niedrige Sofas, tiefe Sessel und kleine Tischchen. Die Very Important Persons, die sich dort in den Polstern lümmeln, sind natürlich irgendwelche guten Bekannten der Inhaber, zuzüglich ein paar dekorativer Frauen, die Freunde der Club-Promoter oder auch einfach Gäste, die koksen oder Sex haben wollen. Das ist sehr bequem angesichts der ständig besetzten Toiletten. Im zentralen Saal legt ein DJ auf. Dort tummelt sich die Masse, all diejenigen, die keinen Zugang zu den VIP-Areas haben, das sogenannte Schlachtvieh, also die Gäste, um der Wahrheit
die Ehre zu geben, die den meisten Umsatz machen. Das sind Leute, die nicht zur Szene gehören, sich das aber sehnlichst wünschen, damit sie ihren noch braveren Freunden und Bekannten all diese wunderbar wilden Stories aus dem Moskauer Nachtleben erzählen können. Für die bloße Illusion, dazuzugehören, zahlen diese Statisten viel Geld.
    Jedes In-Lokal in Moskau arbeitet nach diesem Schema – wenn der Besitzer nicht gerade ein Voll-Kolchosnik ist, der aus dem allerhintersten Scheißloch nach Moskau angereist ist, weil er völlig größenwahnsinnig ein Restaurant aufmachen will. Dort soll sich dann das reiche Moskauer Publikum zuhauf tummeln, und die Küche seiner vermieften Heimatregion genießen.
    Damit das klappt, wird erst mal jene Horde namens »Die Szene« ins Lokal getrieben, mit ihren immer gleichen Nachtschwärmern, angesagten DJs und gestylten Homosexuellen. Mit ihnen kommen die Halbweltdamen, auf der Suche nach dem kleinen Glück für eine Nacht. Von all denen hat natürlich nicht einer Geld in der Tasche. Sie trinken vielleicht ein Glas Champagner oder auch fünf Tassen Kaffee, das ist aber schon das Äußerste. Doch sie sind das Protoplasma der unersetzlichen Mundpropaganda, die sich wie Radiowellen durch die Stadt verbreitet und folgende einfache, aber wirksame Message verkündet: »Neuer Laden aufgemacht. Kommt alle.«
    Dann erscheinen die Typen mit den dicken Portemonnaies und ihren auf Dauerdiät gesetzten Tussis, die an ein paar Salatblättern knabbern und teuren Wein oder Champagner in sich hineinschütten. Die bringen den größten Umsatz.

    Schließlich kommen alle die angelaufen, die die Trendmagazine lesen oder sich im Fernsehen die Lifestyle-Berichte über das High-Society-Leben der Stadt anschauen. Irgendwelche Idioten, die unbedingt in den Dunstkreis der Szene eindringen wollen. Die bringen die zweite Hälfte des Umsatzes ein. Sie zahlen wirklich jeden Preis, damit sie am anderen Tag ihren Freunden berichten können, sie seien »in diesem Dings, na, du weißt schon, in diesem angesagten Restaurant da« zum Essen gewesen und: »Neben uns saß wirklich die Dingsbums, meine Güte, wie die sich benommen hat! Und ein Paar krumme Beine hat die vielleicht!« Womit sie für diese Saison den Status des Oberblödmanns zuerkannt bekommen und von allen normalen Blödmännern bewundert werden.
    Selbstverständlich ist der Hype um dieses Lokal nach ein paar Monaten restlos verdampft, dann hat längst der nächste Restaurant-Klon aufgemacht, und alles geht wieder von vorne los, immer nach demselben Muster.
    Ich geselle mich zu einer Gruppe von Männern in guten Anzügen. Sie trinken teuren Alkohol, rauchen Zigarren und tun, als unterhielten sie sich über Geschäfte. In Wirklichkeit checken sie bloß ab, wen sie anbaggern können. Ich begrüße einen von ihnen, werde einem anderen vorgestellt und steuere ein paar flaue Bemerkungen zu dem allgemeinen Gespräch über nichts bei.
    An der gegenüberliegenden Wand hängt ein großer Spiegel, in dem ich unsere Gruppe beobachten kann. Ich vermute, wenn wir ihm jetzt alle gleichzeitig den Rücken zudrehen würden, hätte ich Schwierigkeiten, mich selbst zwischen den anderen Typen zu erkennen, so sehr ähneln wir uns;
alle in dunklen Nadelstreifenanzügen, alle mit einem Glas in der Hand. Unsere Gesten sind identisch, nicht einmal an der Größe könnte man uns unterscheiden. Vielleicht liegt es ja an dem Whiskey, den ich intus habe, aber ich finde diese Erkenntnis auf einmal ziemlich klasse. Obwohl ich weiß, dass es total krank ist, in einer Welt von Klonen zu leben.
    So stehen

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