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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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Schritt für Schritt vorwärts. Wir planen, demnächst Offline zu gehen. Jetzt sind wir gerade dabei, einen Sampler mit den besten Underground-Autoren zusammenzustellen.
Also alles geht seinen Gang. Solide Sache, ja, ziemlich solide.«
    Wenn Awdej spricht, kostet er jedes seiner Worte aus, und sein Gesicht zeigt eine geradezu sakrale Ernsthaftigkeit.
    »Na, super. Immer vorwärts, junge Pioniere«, sage ich und gieße uns Wodka nach. »Das ist die Literatur der Zukunft. Ich bin sicher, Awdej, wenn du alles richtig managst, bei deiner Autorität im Netz, dann verdienst du bald mindestens so viel wie Gelman mit seinen Pinselscheißelutschern. Und wie steht’s sonst? Ich meine privat? Alles im grünen Bereich?«
    »Darüber wollte ich schon lange mal mit dir reden. Du kommst doch viel in diesen Kreisen rum, bei diesen Business-Schnullis. Weißt du nicht irgendeinen Job für mich? Mir hängt dieses IT-Geschäft zum Hals raus, und viel Geld macht man damit auch nicht.«
    »Was machst du eigentlich, konkret?«
    »Also, meine Firma macht Internetsites. Wir sind ein ziemlich kleines Büro, weißt du, fünf Computer, zwei Angestellte. Die Konkurrenz ist heutzutage kolossal, und die Aufträge werden immer weniger. Apropos, braucht ihr nicht einen Webauftritt in der Firma?«
    »Ich glaube nicht, wir haben schon einen.«
    »Tja, ich sag’s ja, die Aufträge werden rar. Also, um es kurz zu machen, ich will da raus.«
    »Und was kannst du noch so, außer IT?«
    »Ich kann Artikel schreiben; Copyright, Press-Release. PR-Arbeit ist meine Sache, das liegt mir im Blut.«
    »Aber du sagst doch, du arbeitest zu wenig. Einen Tag arbeitest du, drei trinkst du. Wie stellst du dir den Job eines
PR-Managers vor, der zwei Drittel seiner Arbeitszeit blau ist?«
    »Ach, was. Wenn man mir mehr Kohle gäbe, würde ich damit aufhören. Aber ohne geht es natürlich auch nicht. Außerdem kann man ja auch zu Hause schreiben, wenn es sein muss. Wozu gibt es das Internet.«
    »Na schön, ich frage mal nach. Wenn ich was rauskriege, ruf ich dich an oder schreibe dir.«
    Er sieht zwar, dass seine Anfrage keine große Begeisterung bei mir hervorruft, wittert jedoch, dass meine Möglichkeiten noch nicht voll ausgelotet sind. Also setzt er zur zweiten Angriffswelle an.
    »Setzen wir uns woanders hin, ich erzähle dir noch ein bisschen vom Geschäft.«
    »Einverstanden«, sage ich. Mir ist inzwischen klar geworden, dass der Abend sich seinem Ende entgegenneigt, und es ist immer noch besser, den verbliebenen Rest mit Awdej über sein nächstes fantastisches Projekt zu verquatschen, als mit volltrunkenen Möchtegerndichtern über den Stand der Weltrevolution zu fabulieren.
    »Ich hab nämlich eine Spitzenidee, wirklich erste Sahne, sag ich dir. Ich will ein Nachrichtenportal aufmachen, so was wie Lenta.ru oder Dni.ru , weißt du?«
    »Ah ja!«
    »Genau. Das Internet boomt, es gibt nicht genug Angebote für die User. Meine Idee ist, dass wir diese ganzen Armleuchter hier – er macht eine weite Geste durch den Raum – für uns einspannen. Für ein paar Kopeken schreiben die uns alles. Man muss ihnen bloß suggerieren, dass sie an einem seriösen Projekt mitarbeiten, dann läuft das.« Awdej macht
ein bedeutsames Gesicht und rückt seine Brille zurecht. »Man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie die Größten sind, dass sie etwas bewegen können … Na ja, und ein bisschen Asche muss man ihnen auch geben. Dann fressen sie alles.«
    Offensichtlich ist Awdejs Meinung über seine Anhänger nicht besonders hoch. Ich frage mich, bis in welche Höhen sich sein eigenes Selbstwertgefühl wohl entwickeln würde, wenn man ihm einen Chefsessel und ein klein wenig mehr Geld anböte.
    »Also, das Thema Content ist geklärt. Ich schätze, wir werden bis zu dreißigtausend Besucher pro Tag haben, damit kriegen wir die Kunden: Reklame, Banner, Auftragsartikel. Die Internetreklame wächst im Moment wie blöde, wusstest du das?«
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf und nippe an meinem Kaffee.
    »Eben. Sie wächst wie der Schwanz in der Hand, das sage ich dir. Später kann man vielleicht auch was mit Politik machen, über irgendeine Partei schreiben, oder nicht schreiben, je nachdem, wie viel sie einem dafür bezahlen. Ich hab meine Beziehungen in dem Bereich, verstehst du mich? Da ist echt was drin, ich sag’s dir. Glaub’s einfach. Im Internet darf man sich nicht mit kleinen Fischen abgeben, man muss an die richtigen Leute ran. Ich habe ein paar Projekte aufgezogen, die

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