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Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless

Titel: Seelenkalt - Minajew, S: Seelenkalt - Duchless Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Minajew
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eine Franck Muller. Warum kleckern, wenn man klotzen kann! Angeblich vom Zoll konfiszierte Ware, verstehst du, exklusives Zeug, ursprünglich für den Top-Manager von Gasprom bestimmt. Das klassische Brand-Märchen, wie es heutzutage überall kolportiert wird. Der frisch dekorierte Gesetzeshüter hatte gar keine Chance, der ist mit Pauken und Trompeten auf den Schwindel reingefallen. Ist ja auch ein geiles Gefühl, man schnallt sich so ein kleines Teil ums Handgelenk, und schon verändert sich die ganze Persönlichkeit.«
    »Ja, wirklich affengeil. Und was soll ich jetzt damit? Edik hat einen Bullen reingelegt, was hat das mit Politik zu tun?«
    Mischa redet nicht gern über teure Uhren. In dieser Liga kann er nämlich nicht mitspielen. Er schaut mit finsterem Gesicht aus dem Fenster.
    »Hör einfach weiter zu. Dieser Oberst lief also mit seinen Uhren durch die Gegend, war glücklich und ahnte nichts Böses. Aber dann kam er plötzlich auf die Schnapsidee, die Dinger schätzen zu lassen. Ich denke, er wollte wohl mehr sich selber schätzen lassen. Tja, und da hat man ihm zu verstehen gegeben, dass er ein paar famose Fälschungen an seinen Handgelenken baumeln hat.«

    »Na prima. Aber was hat das mit unserer Situation zu tun?«
    »So einiges. Denn die sogenannten liberalen Werte, die wir für Riesenkohle im Westen eingekauft haben, für Erdöl, Erdgas und dergleichen, sind nämlich genau solche beschissenen billigen Fälschungen. Firlefanz, Glasperlen für Indianerhäuptlinge. Demokratie, Liberalismus, Markt, Verfassung, freie Wahlen und so weiter. Wenn wir uns diese Fälschungen um den Hals hängen, dann werden uns Hinterwäldler wie Polen, Ukrainer, Georgier und so weiter bestaunen und von Herzen beneiden. Und die Amis heizen uns schön an: ›Wahnsinn, was für geile Klunker ihr da habt‹, sagen sie. ›Ihr braucht noch mehr davon! Dann werden euch alle, alle bewundern! ‹ Und hinter unserem Rücken lachen sie sich über uns kaputt, diese dummen Ärsche, logisch, sie haben uns diesen Mist ja schließlich angedreht! Und wenn wir uns mit diesem Spielzeug dann auf der Bühne der Weltpolitik zeigen, wenn wir, zum Beispiel, in der UNO mit unseren falschen Cartier-Uhren mal kräftig auf den Tisch hauen, dann heißt es natürlich sofort: ›Leute, aus was für einem Dorf kommt ihr denn? Verkratzt uns mit eurem billigen Plunder bloß nicht den Lack, am Ende könnt ihr das nicht mal bezahlen. ‹ Ja, dann stehen wir da wie der Ochs vorm Scheunentor und glotzen blöde. Und wenn wir dann die Amis zur Rede stellen wollen, sagen die uns bloß: ›Kinder, bleibt entspannt, take it easy, boys. Okay okay, wir haben euch reingelegt, aber Moment! Es weiß doch keiner außer uns! Wenn ihr schön brav seid und tut, was wir wollen, dann sagen wir’s nicht weiter. Und später, wenn ihr euch weiterentwickelt habt, könnt ihr euch echte Klunker kaufen und
euren alten Flitterkram weiterverscherbeln, an die nächsten Deppen.‹«
    »Sehr lustig.« Mehr hat Mischa dazu nicht zu sagen.
    Schweigen breitet sich aus. Das Gras hat uns ziemlich zugesetzt. Man sieht unseren Gesichtern deutlich an, dass die Gedanken gewaltig durch unsere Köpfe strömen, ein Strom mit vielen kleinen und großen Nebenarmen, die sich immer weiter verzweigen und wieder zusammenfließen. Oder auch nicht. Ein bisschen wie bei der Schneeschmelze im Frühjahr, wenn schmutziges Tauwasser in unzähligen Bächen über die Gehwege fließt und in den Gullis verschwindet. Manchmal wird eins unserer Gesichter von einem Geistesblitz erleuchtet, und derjenige, den es erwischt hat, macht den Mund auf, als wollte er gleich etwas Wichtiges sagen, aber dann ist der Funke schon wieder verloschen. Denn die Gedanken verschwinden in diesem Zustand so schnell, wie sie entstehen. Ich weiß nicht, wie lange wir so gesessen haben, eine halbe Stunde, eine Stunde oder länger. Mischa jedenfalls erwacht als Erster aus der Versenkung:
    »Das sage ich ja. Verstehst du, was wir jetzt am dringendsten brauchen, das ist eine nationale Idee. So was wie ›Autokratie – Orthodoxie – Volkstum‹, oder wie später ›Stalin – Berija – Gulag‹. Eine einfache, ganz konkrete Idee, die jeder versteht, von den Oligarchen in eurem Moskau bis zum Rentierzüchter oben im Norden.«
    Wie er es hingekriegt hat, den Faden unseres Gesprächs wieder aufzugreifen, ist mir ein völliges Rätsel. Mischa steigt in meiner Wertschätzung noch einige Stufen höher. Jetzt werde ich ebenfalls munter:

    »Ich habe

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