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Seelenkuss / Roman

Seelenkuss / Roman

Titel: Seelenkuss / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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gehört dem Jäger, nicht der Beute.«
    »Verzeihen Sie, Majestät, aber wir müssen eine kleine Werbepause einlegen.«
     
    Reynard wusste, dass er bewusstlos war, denn diesen Traum hatte er schon oft gehabt. Es war der Neujahrstag 1758, ungefähr zehn Uhr morgens. Er stieg gerade aus seinem Bett in dem großen Herrenhaus der Familie in Surrey und stellte fest, dass er in voller Bekleidung geschlafen hatte. Vorn auf seinem Hemd und seiner Kniebundhose waren Weinflecken.
Gut gemacht, Reynard!
    Benommen entsann er sich, wieder einmal ausfallend gegenüber seinem älteren Bruder Faulkner geworden zu sein; an Einzelheiten erinnerte er sich nicht mehr. Andererseits war sein Bruder gleichfalls betrunken gewesen, also wüsste er wohl kaum mehr als Reynard. Hoffentlich. Trotzdem wünschte Reynard, ihm fiele wieder ein, was zum Teufel er gesagt hatte. Ihm war unbehaglich, als er am Klingelband zog, um einen Diener herbeizurufen.
    Draußen konnte er seine Nichten und Neffen aufgeregt kreischen hören. Bei dem Lärm fuhr Reynard zusammen, wie auch gleich darauf, als er die Vorhänge öffnete und ihm greller Sonnenschein entgegenstrahlte. Die dünne Schneedecke auf den Bäumen und Wegen intensivierte die Helligkeit noch. Er blinzelte. Die Kinder, mit Schals und Handschuhen geschützt, waren begeistert.
    Lärmende kleine Nervensägen
, dachte Reynard, wenn auch mit einer Spur von Wehmut. Früher hatte er unter denselben schneebestäubten Bäumen gespielt.
    Dann kam Elizabeth aus dem Haus, in einen Pelz gehüllt und die Hände in einem Muff. Sie lachte mit den Kindern und stakste vorsichtig mit winzigen Schritten auf sie zu. Die Steine waren anscheinend überfroren.
    Lizzie.
Ein Dichter hätte ausdrücken können, wie schön sie war, wie weich ihr hellbraunes Haar, wie glatt ihre Haut; doch Reynard war kein Poet. Ihr Anblick raubte ihm die Worte, machte ihn sprachlos, so dass nichts als ein stummes Echo in ihm war. Solch eine Macht besaß sie über seinen Geist. Sie hielt ihn davon ab, irgendjemanden sonst zu lieben.
    Elizabeth war die Frau seines Bruders. Sie war Reynards gewesen, bis Faulkner mit seinem Titel und Vermögen des Erstgeborenen erschien. Elizabeth behauptete, ihre Eltern hätten sie zur Heirat gedrängt, aber Reynard war nicht sicher, ob er ihr glaubte. Sie hatte mit einem Wappen geliebäugelt.
    Jedenfalls ähnelte Julian Reynard, der charmante Kavallerie-Captain, am Ende nichts als einem Kometen, der von Zeit zu Zeit vorübergeflogen kam, Träume weckte und für Unfrieden sorgte. Wenn er seinen Bruder liebte, vor allem aber, wenn er Lizzie liebte, musste er sie loslassen.
     
    Reynard wachte auf.
Wo zur Hölle bin ich?
In diesem Zimmer war er noch nie gewesen. Er blickte sich um. Der Aschegeschmack, der damit einherging, dass man zu viel Magie benutzt hatte, lag auf seiner Zunge. Reynard war hundemüde, und seine Gliedmaßen fühlten sich wie aufgeweichtes Brot an. Er ließ seinen Blick über das Mobiliar wandern. Sah es neu aus? Alt? Wie hätte er das erkennen sollen? Für ihn wirkte alles modern. Er schloss die Augen, weil er zu erschöpft war, um sie offen zu halten. Er hatte Durst, schlief jedoch wieder ein, ehe er länger darüber nachdenken konnte.
     
    Im Traum befand er sich abermals in seinem alten Zuhause, an demselben Tag wie zuvor. Er wusch sich das Gesicht, kämmte sein langes Haar nach hinten und wand ein schwarzes Band um den Zopf. Dann zog er sich seine neue Uniform an, weil er ausgehen wollte. Ein bisschen Goldbesatz beeindruckte die Damen.
    Reynard knöpfte sich die Jacke zu, während er die Treppe hinunterstieg. Helles, vom Schnee reflektiertes Sonnenlicht flutete die Diele und malte Scherbenumrisse an die hohe Decke, wenn es durch die Schrägkanten im Fensterglas fiel. Regenbogenfarben schimmerten auf den Kristalltropfen des Kronleuchters und auf dem geschliffenen Glas einer Vase. Das erbarmungslose Licht tat Reynards weingetränktem Schädel weh.
    Er blieb vor der offenen Tür des Morgensalons stehen und entdeckte gleich das Kaffeeservice auf einem Tisch am Fenster. Auch hier drinnen war alles sonnenbestrahlt, so dass der Dampf aus der Kaffeekanne wie hauchdünne Gaze anmutete.
    Faulkner, der im Gegensatz zu Reynard helles Haar hatte, und ein anderer Mann saßen in den Sesseln zu beiden Seiten des Kamins. Der andere, ein älterer Herr mit schwarzer Jacke und Allongeperücke, sah genauso aus wie vor Jahren, als er Reynards und Faulkners Vater besucht hatte, nur konnte Reynard sich nicht an

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