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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Erneut trugen die mächtigen Schwingen sie mit anmutigen Schlägen höher, direkt der Sonne entgegen. Kalt und klar strich die salzige Luft über ihr Gesicht und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie lehnte sich weiter vor, duckte sich in den Schutz des eleganten Halses. Dann legte der ChaiDren sich über einen Flügel zur Seite und flog in einem weiten Bogen zurück. Sonnenfische schossen in ihrem Schatten aus dem Wasser und verschwanden wieder in den silbernen Wellen. In der Ferne glänzten die Mauern von Kahel. Sie passierten die Klippen und folgten dem Fluss, landeinwärts. Ein Rudel Hirsche floh in den Schatten des Waldes, während Cjar nach und nach tiefer glitt und schließlich auf der Lichtung zur Erde zurückkehrte. Er wartete schon ungeduldig, streckte ihr die Hände entgegen, stellte sie wieder auf den Boden.
    » Es war wundervoll! Unbeschreiblich schön … « Sie plapperte, sie merkte es selbst und konnte doch nichts dagegen tun. Ein zärtlicher Kuss beendete es, tief und warm. Er vergrub die Hände in ihrem Haar, zog sie noch näher an sich. Wie zur Antwort auf eine unausgesprochene Frage schlang sie die Arme um seine Mitte und schmiegte sich enger an ihn, ließ sich auf ein Bett aus Sonne und Moos ziehen. Nach der Kälte so hoch oben war ihr die Wärme seiner Umarmung mehr als willkommen.
    Sie bekam keine Luft mehr und zitterte am ganzen Körper. Die Kälte schien nicht aus ihren Gliedern weichen zu wollen. Oqwen hatte sich über sie gebeugt, hielt sie fest. Hinter ihm ragte Niéne auf, die eine schluchzende Mirija zu beruhigen versuchte. Ein Ring aus Isârden-Kriegern drängte flüsternde Gestalten zurück. Der Nebel war verschwunden. Still und dunkel stand das Wasser in der Schale, ein dünner Schleier aus Erde trieb auf ihm. Die Zweige glommen nur noch sacht vor sich hin. Ihr Hals war rau und selbst das Schlucken war schmerzhaft. Der DúnAnór lag reglos in Siéres Armen. Seine Augen waren fest geschlossen, doch sein Atem kam in keuchenden Stößen. Sie konnte den Blick nicht von seinem Gesicht lösen. In ihrem Geist gab es nur einen Gedanken: Sie hatte ihn gekannt! Noch bevor all das begonnen hatte, hatte sie ihn gekannt! Ihn und seinen Seelenbruder, CjarDar, den ChaiDren mit dem herrlichen grauen Gefieder, den goldenen Augen, dem scharfen Schnabel und den noch schärferen Raubvogelfängen. Wie konnte das sein? Wie hatte sie all das vergessen können? Oder war das alles nur Einbildung? Sie schlang die Arme um ihren Kopf. Über ihr stieß Oqwen etwas aus, das wie ein Fluch klang, während er seinen Griff ein wenig lockerte. Darejan schloss die Augen und drückte die Fäuste gegen ihre Schläfen, hinter denen ein grausames Pochen saß. Zusammen mit seltsam verschwommenen Bildern, wie lange vergessene Erinnerungen. Was hatte das zu bedeuten? Da waren Schatten in einem grauen Nichts. Eine raue, gebrochene Stimme. Silberne Augen, die sie ansahen. Abrupt hob sie den Kopf aus den Armen und schaute zu dem DúnAnór hin. Siére hatte ihn zurückgebettet und die Decken wieder über ihn gezogen. Darejan schüttelte Oqwens Hände ab, kroch zu ihm hinüber, zog seinen Oberkörper auf ihren Schoß und barg seinen Kopf an ihrer Brust, ohne die verblüfften Blicken der Krieger zu beachten. Sein Atem ging wieder langsamer. Sie hatte ihn gekannt! Nein, da war viel mehr gewesen. Aber das war doch nicht möglich. Man konnte einen Menschen doch nicht so vollständig vergessen. Wenn sie nur wüsste, was geschehen war! Wenn sie sich doch nur erinnern könnte!
    Das Gewicht einer Decke, die um ihre Schultern gelegt wurde, ließ sie den Kopf heben. Niéne kniete neben ihr und musterte sie eindringlich. Oqwen, Mirija und all die anderen waren fort. Sie waren allein.
    » Was ist passiert? « , murmelte Darejan schwach. » Was ist passiert? « Die Worte hallten in ihrem Geist. Ein bequemes Nest aus Decken in einer sandigen, windgeschützten Stelle zwischen den Klippen am Strand von Kahel. Eben noch hatten sie sich in der Wärme aneinandergeschmiegt und faul die Möwen in den Felsen beobachtet, als er plötzlich den Kopf hob, der Blick unscharf und lauschend, nur um im nächsten Lidschlag mit einem Fluch aufzuspringen.
    » Was ist passiert? « Erschrocken setzte sie sich auf.
    » Eine Frau. Im Meer. Sie ertrinkt. « Er schüttelte endgültig die Decken ab und sprintete zum Wasser hinunter. Sie kämpfte sich ebenfalls aus ihrem Nest frei, folgte ihm, sah gerade noch, wie er ins Meer hineinrannte und dann mit einem flachen

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