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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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und auch der Anführer der Isârden brach leblos zusammen.
    Der Arm, der um ihre Mitte gelegen hatte, gab sie frei. Die Stufen bohrten sich hart in ihren Rücken, als sie darauffiel, doch der Schmerz durchdrang die Kälte, die ihre Glieder gefühllos machte, kaum. In ihren Ohren rauschte das Blut. Über ihren eigenen keuchenden Atemzügen hörte sie Mirijas Schreie zu einem Wimmern verebben. Vor ihren Augen schwammen Schatten, die langsam wieder zu Gestalten wurden. Die Korun hatten sich zu den Wänden und dem Eingang der Halle hin zurückgezogen. Eben näherten sich zwei der Grauen Krieger dem DúnAnór, der noch immer auf dem Boden kauerte und– im Nebel seines Wahnsinns gefangen– blind und taub für die Schrecken um ihn herum war. Doch als die BôrNadár ihn packten und auf die Füße zerrten, war es, als würde er mit einem Schlag aus einem Albtraum erwachen– seine Schreie gellten unter dem Deckengewölbe, während er sich in wildem Entsetzen wehrte. Die beiden BôrNadár schafften es nicht, ihn zu bändigen. Ein Wink befahl den anderen, ihnen zu helfen. In blinder Verzweiflung schlug der DúnAnór um sich. Einer der Grauen Krieger taumelte zurück. Doch dann wurden die Schreie des DúnAnór zu einem Keuchen, seine Bewegungen schwächer, und die BôrNadár rangen ihn zu Boden. Keine Armlänge von ihm entfernt, lag die Leiche des schwarz gewandten Kriegers über dem Zentrum der Runen. Seine gebrochenen Augen schienen den DúnAnór anzustarren. Dessen keuchende Atemzüge stockten für einen kurzen Moment, dann bäumte er sich unter den Händen, die ihn niederhielten, noch einmal auf, und schrie so gellend, dass selbst die Gestalt auf der Empore zusammenzuckte. Dann fiel sein Kopf zur Seite und seine Augen waren ebenso leer wie die des Toten.
    Als die BôrNadár ihn dieses Mal in die Höhe zerrten, regte er sich nicht. Es war, als würden sie einen Leichnam quer durch die Halle zum Ratstisch schleifen. Sie gehorchten dem knappen Wink und setzten ihn auf den Stuhl am Kopfende. Sein Kopf sank gegen die hohe Lehne und rollte auf seine Schulter. Zwei der Grauen Krieger stellten sich hinter ihm auf.
    Ein weiterer Wink und einer der BôrNadár hob Mirija vom Boden auf. Die junge Frau stieß ein Wimmern aus und erschlaffte in seinem Griff. Ungerührt trug er sie zur Empore.
    Als einer auch auf Darejan zukam, schaffte sie es irgendwie, wankend aufzustehen. Sie würde alles tun, um zu verhindern, dass eines dieser Ungeheuer sie abermals berührte. Mühsam taumelte sie die drei Stufen zur Empore hinauf. Die zur Klaue verkrümmte Hand, die einmal ihrer Schwester gehört hatte, wies auf einen weiteren der hochlehnigen Stühle. Kraftlos sank sie darauf. Sie hielt den Blick gesenkt, starrte auf das Schwarz und Gold und Rot auf dem Boden der Halle, und fragte sich seltsam gleichgültig, wann die Sonne begonnen hatte, die Dunkelheit und die Schatten aus ihr zu vertreiben.
    Ein Schaudern kroch über ihren Nacken, als Selorans Körper schwerfällig auf sie zugeschlurft kam. Die tiefrote Sarinseide ihres Gewandes raschelte bei jedem Schritt. Mehr als jemals zuvor erinnerte die Farbe Darejan an Blut.
    Das Gesicht ihrer Schwester verzog sich, als sie ins Licht trat. Ihre Züge hatten einen guten Teil ihrer Schönheit eingebüßt und wirkten seltsam eingefallen. Der helle Perlmutton ihrer Haut war zu einem stumpfen Grau geworden. Ihre Augen waren von dunklen Schatten umgeben, unter denen sich ihre Wangenknochen abzeichneten. Dann beugte sie sich zu ihr hinab und Darejan presste sich gegen die lederbespannte Lehne in ihrem Rücken.
    » Ich wusste, dass du ihn hierher bringen würdest. Immerhin war es der einzige Ort, an den du mit ihm gehen konntest. Es will mir so scheinen, als sei ich dir schon wieder zu Dank verpflichtet. «
    » Schon… Schon wieder? «
    » Aber ja. Ich hätte damals nie erfahren, dass er in der Stadt ist, wenn du es mir nicht gesagt hättest. Oh, du warst so wütend, als du zu mir gekommen bist. Wütend, weil er dir einfach einen Tritt versetzt hat, wie einer räudigen Hündin, als er deiner überdrüssig war. « Die gekrümmten Finger spielten mit ihrem Haar, während die blauen Augen ihrer Schwester in ihren forschten. » War er ein guter Liebhaber? « Darejan wandte das Gesicht ab, kämpfte mit den Tränen. Sie hatte Javreen also tatsächlich verraten. Die runzlige Klauenhand strich über ihre Wange. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht vor Ekel zu schreien. » Du bist ebenso schön, wie Ileyran es war. «

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