Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
Vom Netzwerk:
ie lange sie zwischen den Säulen entlanggingen, konnte Javreen nicht sagen. Sie hätten ein Dutzend passiert haben können oder auch einhundert, als sie sich endlich zu einem Rund öffneten und sie unvermittelt vor dem Wächter der Seelen selbst standen. Er hatte den gleichen Echsenschädel mit der länglichen Schnauze, den gleichen gebogenen Schlangenhals, die gleichen schwarz glänzenden Klauen und die gleichen federlosen Schwingen wie die RónAnór, von denen es in den alten Chroniken hieß, sie seien seine Kinder. Doch er war ungleich größer als sie, und wo sie Bestien glichen, war alles an ihm von einer fürchterlichen Majestät. Schwarze Schuppen, die von einer beinah lichtschluckenden Finsternis waren und doch wie polierter Obsidian schimmerten, bedeckten seinen gesamten Körper vom Kopf bis zum Ende seines langen Echsenschwanzes, den er nachlässig um eine abgebrochene Säule geschlungen hatte. Die riesigen Schwingen lagen dicht an seinem Körper, wie ein Mantel aus geronnenen Schatten. Seine Augen waren von einem tiefen ockerfarbenen Gold und zugleich von tiefster Dunkelheit erfüllt. Er neigte den mächtigen Schädel ein wenig und starrte Javreen mit einem dieser Augen an. Um ein Haar wäre er unter dem Blick des Wächters zurückgewichen.
    Die schwarzen Lefzen hoben sich ein wenig und offenbarten Zähne, von denen selbst die kleinsten länger als ein Männerarm waren.
    » Dreist! « , knurrte der Wächter mit einer Stimme, die in Javreens Kopf war und zugleich den Nebel erbeben ließ. » Dreist und anmaßend. Was bildest du dir ein, den Schwarzen Fluss zu überqueren, ohne gerufen worden zu sein? Wie kommst du dazu, KaîRóns Boot zu stehlen? Weißt du eigentlich, was du hättest anrichten können, DúnAnór? Und wie kannst du es wagen, sie « , er schnaubte in Rejaans Richtung, » mitzubringen? Sie ist weder eine Klinge noch eine Nekromantia der DúnAnór. Ihre Anwesenheit verletzt jedes Gesetz. «
    Javreen sank auf ein Knie und zog Rejaan mit sich. » Ich hatte keine andere Wahl, Herr. Ich bin hier, um… «
    » Ich weiß, weshalb du hier bist, Javreen Windklinge. So haben die anderen dich doch immer genannt, weil du nur zufrieden warst, wenn du den Wind auf deinem Gesicht spüren konntest. Ich weiß, dass du von mir einen KonAmàr erbitten willst, weil dein Orden versagt hat. Zwei habe ich euch schon überlassen. Warum noch einen dritten? Sag es mir! «
    » Weil Ahoren Oreádon ansonsten wieder mit Blut und Leid überziehen wird. Weil er nicht damit aufhören wird, unschuldige Seelen aus ihren Körpern zu reißen. Weil er nicht aufhören wird, diese Körper den Seelen zu überlassen die er aus deinem Reich befreit, damit sie ihm dienen, Herr. «
    Der mächtige Schädel neigte sich ein Stück weiter. » Ein KonAmàr ist nicht wohlfeil. Welchen Preis bist du bereit zu zahlen? «
    Javreen holte langsam Atem. » Jeden, Herr « , sagte er dann.
    » Auch das Leben deiner Korun? « Die Worte klangen lauernd.
    Neben ihm zuckte Darejan zusammen. Er drückte ihre Hand. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. » Nein! Verlange, was du willst, außer ihrem Leben. Wenn du auf ein Leben bestehst, nimm meines. «
    Der Wächter der Seelen ließ ein Gebrüll hören, das die Säulen erbeben ließ. Erst nach einem entsetzten Atemzug wurde Javreen klar, dass der Herr über die Seelen der Toten lachte. Das Auge aus Gold und Finsternis wandte sich ihm wieder zu. » Dieses Geschäft würde dir gefallen, wie? Bekommst einen KonAmàr von mir und darfst obendrein sterben. « Der mächtige Schädel neigte sich Rejaan zu, deren Blick groß und bestürzt zwischen ihnen hin- und hergehuscht war und die nun unwillkürlich zurückwich. » Du musst wissen, Korun-Prinzessin: Er sehnt den Tod herbei. Aber sein Großmeister hat ihm befohlen zu leben, damit die DúnAnór nicht untergehen. « Der Wächter wandte sich ihm wieder zu. » Hör mir gut zu, Javreen Windklinge, und vergiss es niemals: Das Schicksal, das die KâlTeiréen im Tod aneinanderbindet, ist dir verwehrt. Die Wunde deiner Seele wird sich schließen, auch wenn sie niemals heilen wird. Du wirst leben, obwohl du deinen Seelenbruder verloren hast. Wagst du es oder versuchst auch nur, deinem Leben ein Ende zu setzen, ehe ich dich für deine letzte Zeit rufe, werde ich dich den Verrat an deinen Schwüren und an den Befehlen deines Großmeisters so schrecklich büßen lassen wie noch nie eine Seele vor dir. Der Weg in das Reich jenseits der TellElâhr wird dir für immer

Weitere Kostenlose Bücher