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Seelenkuss

Seelenkuss

Titel: Seelenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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und stand auf. Vermutlich hätte der Wirt das ohnehin nicht erlaubt.
    Als sie an den Tisch trat und in den Wassereimer sah, musste sie feststellen, dass er ihr gerade genug für eine Katzenwäsche übriggelassen hatte. Ihrem unwilligen Blick schenkte er ebenso wenig Beachtung wie ihr selbst, während sie sich rasch Gesicht und Hände wusch und danach in ihr Kleid schlüpfte. Erst als sie ihn von dem Hocker hochzog, schaute er sie wieder an. Nichts verbarg mehr die glitzernden Linien an Stirn, Schläfe und Ohrläppchen. Man würde sofort erkennen, dass er ein Jarhaal war. Darejan fluchte lautlos und sah sich im Zimmer um. Auf dem Fensterrahmen entdeckte sie etwas losen Lehmmörtel. Zusammen mit einigen Tropfen Wasser ergab er eine zähe graubraune Masse, die sie dem Verrückten auf die verräterischen Edelsteintätowierungen schmierte und ihm zusätzlich auf Gesicht und Hals verteilte. Dabei ignorierte sie seinen offenkundigen Unwillen und seine Versuche, ihr auszuweichen. Schließlich begutachtete sie ihr Werk kritisch. Wenn das Zeug getrocknet war, würde es bei dem kleinsten Stirnrunzeln bröckeln wie Putz, aber es würde genügen, um ihn wenigstens aus dem Gasthaus hinauszubringen– solange niemand zu genau hinsah.
    » Gehen wir! « Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit sich, aus dem Raum und die Treppe hinunter. Wie schon am Vortag folgte er ihr schweigend.
    In der Schankstube saßen bereits die ersten Gäste über ihren Bechern. Der Wirt hatte sich bei einigen von ihnen am Tisch niedergelassen. Als er sie bemerkte, flüsterte er etwas und die Männer blickten über ihr Bier hinweg zu ihnen herüber. Nur um sich einen Moment später wieder ihrer Unterhaltung zuzuwenden und sie nicht weiter zu beachten.
    Erleichtert beeilte sie sich den Raum mit einem Nicken und einem knappen Gruß zu durchqueren. Draußen auf der Straße atmete sie ein paar Mal tief durch. Doch sie wagte es erst, sich wieder richtig zu entspannen, nachdem sie die letzten Spuren der Edelsteintätowierungen mit etwas Straßenstaub und Spucke endgültig beseitigt hatte und sie in das Gewimmel einer größeren Gasse eingetaucht waren.
    An einer Garküche kaufte sie ein paar Fleischpasteten zum Frühstück und erkundigte sich nach dem Kartenarchiv. Sie wurde zur » Nabe « Rokans geschickt, in die Mitte der Stadt, dort, wo sich alle Straßen trafen, da sich das Haus der Karten in einem Nebengebäude des Handelspalastes befand.
    Darejan erstand noch einen Becher dünnes Bier, dann ließen sie sich am Rand eines Brunnens nieder und verzehrten die Pasteten. Schweigend beobachtete sie den Verrückten, der sein Mahl nur mit allergrößtem Widerwillen hinunterwürgte. Die zweite Pastete, die sie ihm anbot, lehnte er mit zusammengepressten Lippen ab, doch als sie ihm das Bier reichte, nahm er es mit einem knappen Nicken entgegen, das man beinah als wortloses » Danke! « verstehen konnte, und trank gierig.
    Nachdem sie die Pasteten schließlich aufgegessen hatte, zog sie ihn auf die Beine und machte sich auf den Weg zum Handelspalast, ohne seine Hand loszulassen. Gehorsam folgte er ihr die breite Straße entlang. Stroh bedeckte die Pflastersteine und dämpfte das Klappern der Pferdehufe und das Scharren der eisenbeschlagenen Karrenräder. Zuweilen wurden sie unter rüden Beschimpfungen an den Rand der Straße gedrängt. Eine Schar Reiter in den Farben der Handelsgilde donnerte in Richtung der Stadttore an ihnen vorbei.
    Auf dem Platz vor dem Handelspalast hatten Krämer ihre Stände aufgebaut oder verkauften ihre Waren von ihren Karren herunter. Überall wurde lautstark angepriesen und gefeilscht. An einer Ecke diskutierte ein Kaufmann mit einem Marktvogt über irgendetwas, ohne dabei die beiden Soldaten aus den Augen zu lassen, die sich hinter dem Beamten scheinbar gelangweilt umsahen. Elegant gewandete Männer und Frauen flanierten in Begleitung von Mägden und Dienern ebenso über den Platz wie schlicht gekleidete Handwerker und Bauern. Bellend scheuchte ein Hund eine Katze hinter einen Stand, der unter dem Ansturm bedenklich wackelte, und ergriff dann jaulend die Flucht, als der Händler ihn mit einem Stock davonjagte. Ein Pferd wieherte, gleich darauf ein zweites. Im Schatten eines Hauseingangs saß ein Schreiber und wartete auf Kundschaft, die nicht des Lesens und Schreibens mächtig war. Als Darejan auf ihn zutrat, lächelte er ihr freundlich entgegen und gab bereitwillig Auskunft, als sie nach dem Haus der Karten fragte. Der kürzeste Weg

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