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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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erklärt hat, wird eines von neunzigtausend Babys mit dieser »Missbildung« geboren. Normalerweise wird das nutzlose Glied einfach amputiert.
    Aus irgendeinem Grund, den Ozzie mir nie verraten hat, haben seine Eltern die Erlaubnis zu der entsprechenden Operation verweigert. Die anderen Kinder waren fasziniert von ihm; zuerst war er der elffingrige Junge, dann der fette elffingrige Junge und schließlich der elffingrige Junge mit dem messerscharfen Witz.
    »So seicht meine Einsichten auch gewesen sein mögen«, sagte er, »sie waren ehrlich gemeint.«
    »Das ist ein gewisser Trost.«
    »Jedenfalls bist du heute mit einer brennenden philosophischen Frage gekommen, die dir auf dem Herzen liegt, aber sie plagt dich so sehr, dass du sie lieber doch nicht stellen willst.«
    »Nein, so ist es nicht«, sagte ich.
    Ich betrachtete die erkalteten Überreste meines Hummeromeletts. Terrible Chester. Den Rasen. Das Wäldchen, das grün in der Morgensonne lag.

    Ozzies rundes Mondgesicht konnte gleichzeitig selbstgefällig und liebevoll aussehen. In seinen Augen funkelte die Erwartung, doch recht gehabt zu haben.
    Schließlich sagte ich: »Sie kennen doch Ernie und Pooka Ying.«
    »Reizende Leute.«
    »Der Baum in ihrem Garten …«
    »Die Engelstrompete. Es ist ein wirklich prächtiges Exemplar. «
    »Alles daran ist tödlich, jede Wurzel und jedes Blatt.«
    Ozzie lächelte, wie Buddha gelächelt hätte, wenn Buddha Kriminalromane geschrieben und ein Faible für exotische Mordmethoden gehabt hätte. Dann nickte er zustimmend. »Erlesen giftig, ja.«
    »Wieso kommen nette Leute wie Ernie und Pooka auf die Idee, sich einen so tödlichen Baum in den Garten zu pflanzen?«
    »Zum Beispiel, weil er schön ist, besonders, wenn er gerade blüht.«
    »Auch die Blüten sind giftig.«
    Ozzie steckte sich das letzte Stück marmeladenbestrichene Brioche in den Mund, genoss es und leckte sich die Lippen. »Eine dieser riesigen Blüten enthält so viel Gift, dass man damit bei entsprechender Extraktion etwa ein Drittel der Bevölkerung von Pico Mundo umbringen könnte.«
    »Es kommt mir fahrlässig, ja pervers vor, so viel Zeit und Mühe darauf zu verwenden, ein derart tödliches Ding zu hegen und zu pflegen.«
    »Kommt Ernie Ying dir wie ein fahrlässiger und perverser Mensch vor?«
    »Ganz im Gegenteil.«
    »Na, dann muss Pooka das Scheusal sein. Hinter ihrer bescheidenen Art verbirgt sich offenbar ein Herz voll finsterer Absichten.«

    »Manchmal habe ich das Gefühl, ein Freund sollte es eigentlich nicht so sehr genießen, mich auf die Schippe zu nehmen, wie Sie es tun.«
    »Lieber Odd, wenn deine Freunde nicht offen über dich lachen, dann sind es keine echten Freunde. Wie sonst könntest du lernen, was du besser nicht sagen solltest, um nicht von Fremden verlacht zu werden? Der Spott von Freunden ist liebevoller Art und schützt gegen Torheit.«
    »Das klingt nun aber wirklich tiefgründig«, sagte ich.
    »Es ist mittelmäßig seicht«, versicherte er mir. »Darf ich dich aufklären, Junge?«
    »Sie können es versuchen.«
    »Es ist in keiner Weise fahrlässig, eine Engelstrompete im Garten zu haben. Überall in Pico Mundo findet man ebenso giftige Pflanzen.«
    »Überall?«, fragte ich zweifelnd.
    »Du bist so mit der übernatürlichen Welt beschäftigt, dass du zu wenig über die natürliche weißt.«
    »Ich habe schließlich auch nicht viel Zeit, zum Bowling zu gehen.«
    »Die blühenden Oleanderhecken überall in der Stadt? Im Sanskrit bedeutet der Name dieser Pflanze Pferdetöter . Jeder Teil von ihr ist hochgiftig.«
    »Ich mag die Sorte mit den roten Blüten.«
    »Wenn man die verbrennt, ist der Rauch giftig«, sagte Ozzie. »Wenn Bienen zu viel Zeit auf Oleander verbringen, kann man an ihrem Honig sterben. Azaleen sind ebenfalls tödlich. «
    »Alle Leute haben Azaleen im Garten.«
    »Oleander tötet rasch. Nimmt man Azaleenblätter zu sich, dauert es einige Stunden. Erbrechen, Lähmungen, Krämpfe, Koma, Tod. Außerdem gibt es noch den Sadebaum, das Schwarze
Bilsenkraut, den Fingerhut, den Gemeinen Stechapfel … alles hier in Pico Mundo.«
    »Und wir sprechen von Mutter Natur.«
    »Man spricht auch von Vater Zeit, obwohl an der Zeit und dem, was sie uns antut, nichts Väterliches ist.«
    »Aber, Sir, Ernie und Pooka Ying wissen , dass ihre Engelstrompete tödlich ist. Das ist sogar der Grund, weshalb sie den Baum gepflanzt und gehegt haben.«
    »Denk es dir als eine Zen-Übung.«
    »Gern – wenn ich wüsste, was das bedeuten

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