Seelennoete
Menschen ihn in ein furchtbares Labor bringen würden, hatte er nicht gewusst. Laine hatte damals auch gesagt, dass er sich immer versteckt halten müsse, weil ihm die Menschen in Laboren sonst wehtaten und ihn vielleicht sogar töteten. Wenn Laine und Abernathy das dachten, dann musste es wahr sein. Wie dumm er gewesen war, dieses Risiko einzugehen. Und das alles nur, weil er die Einsamkeit nicht mehr ertragen und Laines Freundschaft akzeptiert hatte. Jetzt war es zu spät. Zu allem Übel hatte er sich auch noch George anvertraut. Obwohl er für einen Moment gehofft hatte, dass George um sein Wohl besorgt war und nicht zu dem Menschen gehörte, die ihn einfangen wollten ...
Abernathy lächelte ihn beruhigend an.
„Wie gesagt, Sam. Hab keine Angst. Hier bei mir bist du in Sicherheit. Du siehst jetzt, wie harmlos das eigentlich war, was ich mit dir gemacht habe. Das waren nur Kleinigkeiten. Nicht sehr angenehm für dich, sicher. Aber sehr schlimm war es auch nicht. Und ich habe es nicht böse gemeint. Ich wollte nur ein paar Versuche machen, die anderen helfen sollten … aber das ist ja egal, jetzt, wo Bill die Proben vernichtet hat.“ Abernathy stand auf, ging zu einer kleinen Kommode und schenkte sich etwas zu trinken ein. Aus dem Augenwinkel beobachtete er Sams nachdenkliches Gesicht.
„Jeder hat unterschiedliche Motive für sein Handeln. Bill hat dich damals an mich verraten, weil er nicht wollte, dass du mit Laine zusammen bist. Mir war das egal, mit wem sie befreundet ist, und Bill war die Forschung egal. Er wollte dich nur von ihr trennen. Und das hat er ja auch geschafft. Jetzt ist sie seine Freundin.“ Abernathy kam mit einem Glas Rotwein in der Hand zurück und setzte sich.
„Sie ist auch meine Freundin“, sagte Sam und eine leichte Aufregung schwang in seiner Stimme mit. „Und außerdem hatte ich sie zuerst kennengelernt!“
„Aber natürlich ist sie deine Freundin. Nur ist sie nicht DEINE Freundin, wenn du verstehst, was ich meine. Oder küsst sie dich etwa auch? Ist sie zärtlich zu dir? Du bist ein Freund, aber nicht DER Freund. Ihre Liebesbeziehung ist nur mit Bill.“
„Aber … Bill ist doch auch mein Freund“, wandte Sam hilflos ein.
„Ist er das? Was tut er denn für dich? Einmal die Woche bringt er Laine zu dir und den Rest der Zeit bist du allein, oder etwa nicht? Was tust du denn so alleine? Laine und Bill wissen doch sicher nicht, dass du nicht mehr bei deiner Familie bist?“
„Nein. Ich besorge Dinge, die Bill haben möchte – aus dem Wasser.“
„Aha, also du besorgst Dinge für Bill. Ich kann mir schon denken, was das so ist. Siehst du nicht, dass er dich ausnutzt, Sam? Denkt er mal darüber nach, dass du sechs von sieben Tagen allein bist, dass du dir im Meer Algen suchen musst, weil dir die beiden keine Nahrung bringen? Sie vergnügen sich miteinander und wenn dann noch Zeit ist, kommst du auch mal dran. Du verbringst die Woche damit, wertvolle Dinge für Bill zu sammeln und was tut er für dich?“
Sam sah ihn unsicher an.
„Er … bringt mir was zum Essen und passt auf, dass uns keiner sieht.“
„Das ist alles? Mein lieber kleiner Sam. Da fragt man sich doch, wie gerecht das wohl ist. Du zahlst einen hohen Preis für das bisschen Gesellschaft, dass sie dir bieten.“
Abernathy nahm noch einen Schluck und ließ den Wein am Gaumen kreisen.
„Aber es macht mir nichts aus, diese Dinge für Bill zu sammeln und ich bin doch sonst ganz allein. Laine will mich öfter sehen, aber sie geht auch in die Schule.“
Sams Stimme zitterte ein wenig.
„Faule Ausreden sind das. Sieh endlich der Wahrheit ins Gesicht, mein Junge. Wie oft hat Laine dich denn am Anfang besucht, als ihr euch kennengelernt habt?“, fragte Abernathy.
„Jeden Tag war sie da. Manchmal auch zweimal“, antwortete Sam.
„Und nachdem sie Bill hatte?“
Sam schwieg und Abernathy nahm noch einen Schluck.
Ein herrliches Tröpfchen, dachte er, Zeit für den nächsten Filmabschnitt. Abernathy schaltete ein Kapitel weiter.
„Schau mal, Sam, wie viele Leute so ein Aquarium besuchen.“
Sam sah etwas unwillig hoch. Offensichtlich gingen ihm andere Dinge durch den Kopf.
„Es gibt Besucher, die die Fische sehen wollen und es gibt Leute, die dort arbeiten und die Fische gefangen halten“, sagte Abernathy. Sam atmete hörbar aus.
„Aber die sind nicht deswegen alles schlechte Menschen, weißt du“, plauderte Abernathy weiter.
„Ich will das nicht mehr anschauen“, sagte Sam.
„Ja, das
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