Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
erinnert. Er drehte sich vorsichtig auf den Rücken.
»Rührei oder Spiegelei?«
»Ist das ein Quiz?«
»Nein, die offizielle Frühstückskarte für diesen Sonntag«, lachte sie und der Kaffeeduft stieg ihm verführerisch in die Nase.
»Rührei wäre wunderbar.«
»Na, dann raff dich auf! Casanova ist da wirklich vorbildlich. Sieh mal, er ist schon in der Küche!«
Nachtigall zog einen Jogginganzug an, ging ins Bad und band seinen Zopf zusammen. Bestimmt würde er auch Emile beim Frühstück antreffen, da musste er ja nicht ganz so vergammelt aussehen!, beschloss er und rasierte sich schnell.
»Hast du für heute schon was geplant?«, wollte Jule wissen, als er in die Küche kam.
»Nein. Am Nachmittag werde ich wohl einen Krankenbesuch machen, aber ansonsten hab ich nichts vor.«
»Wunderbar. Sabine, Johannes, Tante Erna, die Kinder, Emile und ich würden gerne einen Ausflug machen – und zwar mit dir«, verkündete sie und verschwand für einen Moment aus seinem Blickfeld, um dem Kater sein Schälchen hinzustellen.
»Aha«, meinte er wenig begeistert.
»Wir suchen uns ein schönes Ziel, haben Spaß, essen zu Mittag und du hast noch genug Zeit für deinen Krankenbesuch.«
»Hmhm«, er strich Butter auf sein Brötchen. Jule brachte die Pfanne mit dem Rührei und schob es auf seinen Teller.
»Wen willst du eigentlich im Krankenhaus besuchen?«
»Einen Jungen. Er gehört zu dieser Gruppe von Streunern aus dem Park.«
»Aha«, sie war erstaunt. »Also, wohin würdest du gerne ausfliegen: Dresden Zoo, Leipzig, Berlin, oder was sonst?«
»Wonnemar, Bad Liebenwerda. Spaß für alle, drinnen und draußen. Frag doch mal nach, ob Tante Erna auch schwimmen geht. Meine Badehose habe ich schnell gepackt.«
»Wo ist Emile? Fährt er doch nicht mit?« Hoffnung keimte in ihm auf.
»Doch, klar. Er holt nur gerade ein neues Hemd aus seinem Koffer. Ich frage mal ob er auch eine Badehose dabei hat.«
Natürlich würde er eine dabei haben. Emile Couvier war immer auf alles optimal vorbereitet. So war es dann auch.
»Sabine findet die Idee prima und Tante Erna hat natürlich auch einen Badeanzug. Sie meinte, wer sich ihre vielen Runzeln anguckt, sei selbst schuld, sie könne das jedenfalls nicht vom Baden abhalten. Und du, hast du mir nicht gestern erzählt, du hättest dir die Pestbeule entfernen lassen? Darfst du dann überhaupt schwimmen?«
»Nein. Aber einer muss auf die Kinder aufpassen, nicht? So kann Sabine mal beruhigt mit Johannes abtauchen.«
»Gut. Dann ist das wohl beschlossen«, strahlte Jule.
»Guten Morgen«, Emile Couvier hatte schon eine Kaffeetasse in der Hand, als er in die Küche kam.
Wie konnte man nach so wenig Schlaf nur so verdammt frisch und ausgeruht aussehen? Nachtigall war etwas neidisch, lächelte dem jungen Mann aber tapfer zu.
Die Sonne schien von einem makellos blauen Himmel. Nachtigalls Stimmung hob sich.
Sie würden etwa anderthalb Stunden bis zum Schwimmbad brauchen – aber er wusste, die Fahrt lohnte sich. Für Leander, der mit seinen zehn Jahren immerzu auf der Suche nach Abenteuern war, bot des Bad Raftingreifen und eine Wildwasserstrecke, in regelmäßigen Abständen wurde in einem der Becken eine Wellenanlage zugeschaltet und ein großes Becken lockte die sportlich ambitionierten Familienmitglieder. Der Wellnessbereich mit den unterschiedlichsten Saunen und Entspannungsmöglichkeiten war für die Damen genau richtig. Er würde diese Auszeit nutzen und endlich etwas lesen.
Mit dem bei Großfamilien, die auf Reisen gingen, üblichen Hallo wurden alle Utensilien in zwei Autos verladen und schon kurze Zeit später waren sie unterwegs nach Bad Liebenwerda. Tante Erna fuhr bei Peter Nachtigall im Wagen mit, auf der Rückbank hatten es sich Jule und Emile bequem gemacht.
Erfreut stellte Peter Nachtigall fest, wie seine Großtante in den letzten Monaten aufgeblüht war. Kurz vor ihrem 85. Geburtstag sah sie erholt und glücklich aus. Also war Sabines Entscheidung doch gut und richtig gewesen – all seinen Befürchtungen zum Trotz entwickelte sich die neue Hausgemeinschaft überaus positiv und selbst Leander schien von der Anwesenheit der alten Dame zu profitieren.
Während der Fahrt versuchte Nachtigall nicht allzu oft im Rückspiegel das Paar im Fond anzustarren. Dennoch ließ es sich nicht ganz vermeiden. Eng an Emile gekuschelt ließ sich Jule mit geschlossenen Augen den lauen Fahrtwind ins Gesicht blasen. Auch sie sah glücklich aus.
Der einzige Miesepeter bin
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