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Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)

Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)

Titel: Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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Wiedersehen feiern. Oh, was für eine Schnulze!
    Kaum war Dirk abgefahren, knackte ich seine Schublade und schickte Claudia eine SMS: es sei alles aus, ›ich‹ könne es nicht mehr aushalten zwischen zwei Frauen leben zu müssen und hätte nun eine Entscheidung getroffen. Die andere sei schwanger und es täte ›mir‹ alles sehr leid. Sie solle die drei Wochen nutzen um sich wieder zu fangen, ›ich‹ wünschte keinerlei Kontakt mehr zu ihr.
    Claudia hat ganz schön gezickt. Sie passte mich ab und wollte von mir Näheres über diese andere Frau wissen. Sah mich aus kugelrunden, blauen Püppchenaugen an und weinte sogar ein bisschen. Entrüstet wehrte ich mich, ganz loyale kleine Schwester..
    Später rief ich sie mit verstellter Stimme aus einer Telefonzelle an und beichtete, dass ›ich‹ von Dirk schwanger sei und heulte, was denn aus uns werden solle, wenn der Vater sich nicht um das Kleine kümmern könne, das müsse sie doch verstehen und diesen ganzen Schmus eben.
    Natürlich hat sie versucht ihn anzurufen – aber das hat er nie erfahren. Es klingelte in meiner Tasche. Sie schickte ihm eine SMS mit dem Inhalt, sie habe ihn megasatt und deshalb habe sie sich für einen anderen entschieden. Diese Nachricht habe ich gespeichert und so hat er sie später gelesen, nachdem er wieder zurück war.
    Er wollte sofort bei ihr anrufen und ihr sagen, er könne ohne sie nicht leben und solchen Schwachsinn. Das habe ich ihm ausgeredet und ihm zu verstehen gegeben, sie sei es nicht wert. Ich konnte ihn eigentlich schon immer gut manipulieren und so war es kein wirklich großes Problem für mich ihn davon zu überzeugen. Der Ablösungsprozess von Claudia hatte schon begonnen.
    Er wollte unbedingt den neuen Typen in ihrem Leben umbringen – ich habe dafür gesorgt, dass alle von diesem Plan erfuhren, dann überredete ich ihn diese Kurzschlusshandlung zu lassen und wurde fortan als Heldin der Familie gefeiert. Alles in allem konnte sich diese Bilanz sehen lassen.
    Er war plötzlich wieder der einsame, junge Mann, den ich kannte. Der sich nicht um irgendwelche Freundinnen scherte, sondern ein offenes Ohr für seine kleine Schwester hatte. Nicht auszudenken, wie die Sache mit Claudia ohne meine Intervention weitergegangen wäre: Die beiden hätten womöglich geheiratet! Kinder bekommen! Für mich wäre doch dann kein Platz mehr gewesen!

16
    Peter Nachtigall fuhr zu seinem Reihenhaus in Sielow zurück. Wie gerne war er früher nach Hause gekommen. Jule hatte auf ihn gewartet, sie hatten gemeinsam gekocht, jeder hatte ein bisschen von seinem Tag erzählt. Rückblickend schien es ihm eine unbeschwerte Zeit gewesen zu sein – obwohl er sich mit leisem Unbehagen an so manchen Zwischenfall zu erinnern glaubte, an Streitgespräche und zugeknallte Türen, bittere Vorwürfe und wütende Zurechtweisungen. Sie hatten es beide nicht leicht gehabt miteinander. Nachtigall seufzte. Sein Beruf brachte es eben mit sich, dass geplante Verabredungen nicht immer eingehalten werden konnten und Feierabend nicht unbedingt bedeutete, dass er auch zu Hause bei seiner Tochter bleiben konnte. Aber, tröstete er sich, alles in allem war es doch ganz gut gelaufen. Und nun war sie eben erwachsen. Oder, wie er es als Vater eher ausdrücken würde, glaubte sie erwachsen zu sein.
    Peter Nachtigall hielt vor seinem Haus, das ihn aus dunklen Fenstern abweisend anstarrte. Er konnte das Gefühl hier nicht erwünscht zu sein nicht abstreifen. Mach dich nicht lächerlich, schimpfte er mit sich, es ist dein Zuhause! Der Kater erwartet dich wahrscheinlich schon sehnsuchtsvoll. Plötzlich hielt er es nicht länger aus und wendete den Wagen.
    Schließlich konnte er genauso gut essen gehen – da müsste er wenigstens nicht allein sein.
    Sein Handy klingelte – er hielt am Straßenrand und zerrte es ungeduldig aus der Jackentasche.
    »Nachtigall!«, meldete er sich unfreundlich.
    »Uh – was für eine Riesenlaus ist denn über deine Leber gekrochen?«
    »Sabine! Entschuldige, ich war ganz in Gedanken.«
    Seine kleine Schwester! Als habe sie einen sechsten Sinn.
    »Nun, mein großer Bruder. Wie wäre es, wenn wir deine unerfreulichen Gedanken, und das müssen sie gewesen sein, wenn du dich so barsch meldest, wenn wir also deine unerfreulichen Gedanken bei einem wunderbaren gemeinsamen Abendessen auf meiner Terrasse verscheuchten? Ich bin heute mit allem extrem spät dran – also auch mit den Vorbereitungen fürs Abendessen. Du kämst also sozusagen gerade

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