Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
kühlen, grauen Augen.
»Und da haben Sie sich gedacht, die Eltern von Markus hätten doch ein wirklich gutes Motiv?«, fragte sie mit unterdrückter Wut. »Ich will es nicht verhehlen: Die Nachricht vom Tod dieser jungen Frau erfreut mich in gewisser Weise. Um dieses Weib ist es nicht schade! Wer weiß, wie viele Familien sie noch ins Unglück gestürzt hat! Aber ich habe genug anderes zu tun – ich bringe bestimmt keinen um und hätte er den Tod noch so sehr verdient.« Empörung rötete ihre Wangen und sie zerkrümelte den Keks, den sie in der Hand gehalten hatte.
»Ich weiß schon, dass es für sie schmerzhaft ist, wenn ich so etwas denke. Aber wir müssen jedem Hinweis nachgehen. Am Ende schnappen wir mit dieser Methode meist den Täter.«
Lange sah sie Peter Nachtigall schweigend an und er bemerkte, wie sich ihre Augen erst röteten und dann mit Tränen füllten.
»Wissen Sie«, flüsterte sie dann, »es ist nicht so, dass ich nicht beinahe jede Nacht davon träume, was ich ihr gerne antun würde.« Sie schluckte. »Aber ich bin zu feige. Ich bin aber sehr froh, dass jemand offensichtlich den Mut aufgebracht hat dieses Monster zu beseitigen. Ich war es jedenfalls nicht. Wie ist sie denn gestorben?«
»Sie wurde erstochen.«
Frau Peters legte ihre Hände in den Schoß und starrte sie an, als wären sie ihr fremd. Dann nickte sie abwesend und strich gedankenverloren die Bluse glatt, die sie über ihrem dunklen Rock trug. Als sie unvermittelt wieder anfing zu sprechen, hatte ihre Stimme einen sanften Klang angenommen.
»Mein Sohn Markus lebt seit damals in einer fremden Welt, in die wir ihm nicht folgen können. An unserer hat er keinen Anteil mehr. Wir besuchen ihn, er erkennt uns nicht. Wir bringen ihm seine Lieblingsschokolade mit, er kann sich nicht daran erinnern, dass man diese braunen Stückchen essen kann. In seiner Welt existieren Wesen, die er uns nicht erklären kann. Sie sind ihm so fremd, wie wir ihm – und er uns.«
»Das ist sicher sehr schwer für Sie. Markus ist Ihr einziges Kind?«
»Ja. Und glauben sie wirklich, es wäre leichter, wenn wir noch weitere Kinder hätten? Söhne oder Töchter, deren ungestüme Lebhaftigkeit uns erst recht bewusst werden ließe, was Markus für immer verloren hat. Glauben Sie das wirklich?«
Sie klang so tief verzweifelt, dass die beiden Ermittler betroffen schwiegen.
»Ich verbringe viel Zeit bei meinem Sohn in der Klinik. Hätte ich noch mehr Kinder, müssten sie weitgehend auf ihre Mutter verzichten.«
»Ich muss Sie fragen, wo sie in der vorletzten Nacht und gestern Morgen waren, und ob es einen Zeugen gibt, der Ihre Angaben bestätigen kann.«
In diesem Moment klingelte es an der Tür und Frau Peters verschwand mit einer entschuldigenden Geste. Aus den Gesprächsfetzen entnahmen Nachtigall und Skorubski, dass ihr Mann nach Hause gekommen war.
Als sie zu ihnen auf die Terrasse zurückkehrte, begleitete sie ein distinguierter Herr Ende Fünfzig in hellgrauem Anzug. Geschickt manövrierte Herr Peters seinen Rollstuhl an die Kaffeetafel.
»Herr Nachtigall und Herr Skorubski – mein Mann«, machte Frau Peters mit einer müden Geste bekannt. »Polizei«, fügte sie dann noch hastig hinzu, als sei es ein fast unverzeihliches Vergehen es nicht sofort erwähnt zu haben.
»Polizei?« Eine Augenbraue schnellte sowohl fragend wie auch anklagend in die Höhe.
»Ja. Friederike Petzold wurde gestern ermordet.«
»Na ja – Sie erwarten doch jetzt nicht etwa, dass ich trauere? Um die war es nicht schade.«
»Dennoch muss ich Sie fragen: Wo waren sie gestern in den frühen Morgenstunden?«
»In meinem Bett«, antwortete Herr Peters schlicht, als sei eine Alternative nicht denkbar.
»Und natürlich können Sie sich das gegenseitig bestätigen. Gibt es sonst noch Zeugen?«
»Nein. Wir leben hier seit fast zwei Jahren allein. Aber da ich nach meiner Operation zur Zeit nicht in der Lage bin selbst etwas für mich zu tun, kann ich Ihnen sagen, dass ich gestern früh zweimal meine Frau um Hilfe bitten musste. Und jedes Mal, wenn ich zu ihr hinübersah, lag sie in ihrem Bett.«
»Danke. Kennen Sie eigentlich eine Frau Kamenz? Oder eine Frau Hagedorn?«
»Hagedorn, Hagedorn. War das nicht diese tolle Bahnradfahrerin? Weißt du noch?«, er wandte sich seiner Frau zu, »Da war doch irgendwas mit einem Unfall, der ihre Karriere beendet hat. Tragische Geschichte. Aber kennen – nein, das wäre wohl zu viel gesagt.«
»Wissen Sie, ich bin froh, dass unser Sohn
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