Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
Absicht, bin aber nicht hart genug. Ich habe es nicht einmal geschafft jemanden zu engagieren, der es für mich erledigt.«
In die entstandene Pause keifte sie:
»Ich bin eine feige Lusche!«
Frau Hagedorn wohnte in einem hübschen Bungalow in Kiekebusch. Die Gegend war ausgesprochen ruhig. Kaum Verkehr, viel Natur. Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski sahen sich um. Das Grundstück war groß, es gab nur wenige Büsche und ein paar alte, knorrige Bäume hinter dem Haus.
Die breiten Kronen ragten weit über das Dach des eingeschossigen Flachbaus. Ansonsten gab es hier nur eine ausgedehnte Rasenfläche, die von einem breiten, geteerten Weg durchschnitten wurde. Kein Sandkasten, keine achtlos hingeworfenen Fahrräder, keine Schaukel. »Hier leben wohl keine Kinder«, stellte Nachtigall fest.
Ein mittelgroßer Retriever-Mischling kam ihnen mit vor Eifer flatterndem Fell entgegengetollt. Er wedelte begeistert mit dem Schwanz und bellte laut um die Ankunft der Besucher anzukündigen.
Die Haustür wurde geöffnet und eine große, schlanke Frau erschien. Sie pfiff, und der Hund tobte zu ihr zurück, ließ sich den Kopf tätscheln und setzte sich erwartungsvoll neben sein Frauchen.
»Bitte?«, rief sie den Männern am Tor zu.
»Kriminalpolizei Cottbus. Peter Nachtigall ist mein Name.«
» Kommen Sie herein. Sie müssen nur den Knauf drehen«, sie wies mit einer ihrer Gehhilfen zum Tor.
Nachtigall trat auf den breiten Weg. Der Hund sah aus, als wäre er gerne auf die Besucher zugestürmt, doch sein Frauchen nagelte ihn mit festem Blick am Boden fest.
»Frau Hagedorn?«
»Ja. Wen haben Sie hier sonst erwartet?«
»Wir kommen wegen des Todes von Friederike Petzold. Dürfen wir Ihnen ein paar Fragen stellen?«
»Ja, ich habe mir schon gedacht, dass Sie zu mich aufsuchen werden. Lassen Sie uns nach hinten in den Schatten gehen. Diese Temperaturen bekommen mir nicht mehr so gut. Komm, Nepomuk!«
Sie konnte sich an den beiden Krücken überraschend zügig bewegen und führte die beiden Männer durch das Haus auf eine kühle Terrasse. Sofort verschwand Nepomuk unter dem Tisch, wo er die Beine der Besucher gründlich examinierte. Peter Nachtigall fürchtete ein wenig um seine Knie, als der warme und feuchte Atem des Tieres ihn streifte. Schließlich roch er wahrscheinlich nach Casanova, seinem Kater und für manch einen Hand bedeutete das eine Einladung zum Biss.
Doch dieser war mit dem Geruchserlebnis ganz zufrieden und legte sich mit einem Seufzer zu Füßen von Frau Hagedorn auf den Steinplatten nieder.
»Also?«
»Frau Hagedorn – wir haben in der Akte von Friederike Petzold einen Hinweis auf den Unfall damals gefunden«, begann Peter Nachtigall und seine Augen fixierten sie scharf.
»Dann wissen sie doch schon Bescheid. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Ihre Stimme klang wie leise Musik. Ihre schmalen Hände, die nun keine Unterarmstützen mehr halten mussten, begleiteten anmutig ihre Sätze, ihr Gesicht war offen, die Augen blickten voller Interesse.
»Friederike Petzold wurde ermordet. Und nun ...«
»Nun kommen Sie zu mir, um mich zu fragen, ob ich nicht einen guten Grund gehabt hätte, dieses Mädchen zu töten, nicht?«, unterbrach sie ihn und ihre Augen glänzten geheimnisvoll.
»Ja. So in der Art«, räumte Nachtigall ein und fühlte sich ziemlich unwohl in seiner Haut.
»Immerhin hätten Sie ein Motiv«, sprang Skorubski ihm bei.
»Das stimmt. In den Lokalnachrichten hieß es, sie sei erstochen worden. Da muss ich Ihnen nun leider sagen, dass ich für diesen Mord nicht in Betracht komme. Ich gebe gerne zu, dass ich ein gutes Motiv gehabt hätte, bestimmt auch mehr als eine Gelegenheit – und doch war ich es nicht. Ich muss meinen Körper auf diesen Krücken, die mein Physiotherapeut beschönigend ›Gehhilfen‹ nennt, abstützen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nur ein unbewegtes Objekt leicht anpieksen – sonst komme ich aus dem Gleichgewicht und stürze. Ganz sicher wäre es mir nicht möglich ein flinkes, junges Mädchen zu erstechen.«
»Hätten Sie es denn gerne getan?«, fragte Nachtigall, dem die Aussagen der Familie Peters und von Frau Kamenz noch in den Ohren klangen.
»Tja – diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, wie sie wahrscheinlich denken. Sie wissen vielleicht, dass ich eine große Karriere vor mir hatte. Bahnradfahren. Ich hatte auch schon einige Preise gewonnen und wäre sicher zu den olympischen Spielen gefahren. Nach dem Unfall war das natürlich
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