Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
noch am Leben ist, weil ich ihn liebe. Aber wahrscheinlich hat irgendwo eine Mutter auch dieses boshafte Teufelskind geliebt und es tut mir für sie leid, dass sie nun seinen Tod beweinen muss. Aber um dieses Mädchen war es nicht schade!«, fügte Frau Peters mit leiser Stimme hinzu.
Peter Nachtigall dachte an Frau Weinreich und fragte sich, ob überhaupt jemand dieses Mädchen geliebt hatte.
Frau Kamenz schien die beiden Ermittler schon erwartet zu haben. Sie hatte drei Gläser, Mineralwasser und Apfelsaft bereitgestellt und bat Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski auf ihrem Balkon Platz zu nehmen. Seit der Mittagspause war die Temperatur deutlich angestiegen und Peter Nachtigall freute sich auf einen schattigen Platz.
Um die Vierzig, stattliche Erscheinung, teure Kleidung, tiefe Falten. Kummerfalten konstatierte er nach einem, wie er hoffte unauffälligen, Blick auf die Gastgeberin. Frau Kamenz sprach mit leiser, leidender Stimme, ihre Frisur hätte Jule vermutlich als altjüngferlich bezeichnet und ihre Kleidung als altmodisch. Die Hände waren sehr gepflegt, die Nägel sorgfältig lackiert.
»Sie kommen zu mir, weil dieses unsägliche Mädchen ermordet wurde. Sie glauben, ich könnte es gewesen sein. Sehr schmeichelhaft«, bemerkte sie schneidend und Nachtigall fragte sich, ob sie das wirklich ironisch meinte.
»Sie wussten, dass wir kommen würden?«, fragte er ohne auf ihre Worte einzugehen.
»Ja natürlich. Im Radio haben sie gemeldet, Friederike P. sei nach einer Party ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Da konnte ich mir doch denken, dass Sie in der Akte dieser Hexe auf meinen Namen stoßen würden. Also war es naheliegend, dass die Polizei mir einen Besuch abstattet.«
»Friederike Petzold wurde erstochen. Rache wäre ein starkes Motiv für einen solchen Mord, meinen Sie nicht?«
Nachtigall setzte sich.
»Stimmt.«
»Leben gegen Leben?«
»Ja. Vielleicht. Warum auch nicht?«, sie funkelte Skorubski wütend an.
Peter Nachtigall zog das Foto der Tatwaffe hervor und zeigte es ihr. Frau Kamenz warf einen langen Blick darauf und meinte dann nachdenklich:
»Was für ein ungewöhnliches Messer. Wahrscheinlich waren die Stiche nicht schmerzhaft, aber sehr wirkungsvoll. Eine gefährliche Klinge.«
»Besitzen Sie so ein Messer?«
»Nein. Aber vielleicht hatte ich eines.«
»Und, hatten Sie eines?«
»Nein. Meine Messer haben alle einen Edelstahlgriff und dieses hat einen aus schwarzem Kunststoff. Das würde nicht passen.«
»Haben Sie ein Alibi für gestern früh?«
»Wie früh meinen Sie denn?«
»Nun, Sie bräuchten ein Alibi für die Zeit zwischen vier und fünf Uhr.«
»Nein, dann habe ich natürlich keines. Ich lebe, wie sie wahrscheinlich wissen, allein. Im Fernsehen interessieren mich nur die Nachrichten. Gegen 20:30 Uhr beschließe ich den Tag immer mit meiner abendlichen Meditation und danach mit einem Glas Rotwein – oder auch zweien – und einer unterhaltsamen oder anspruchsvollen Lektüre.«
»Vielleicht haben Sie mit jemandem telefoniert – oder wurden angerufen? Oder ein Nachbar hat geklingelt?«
»Ich gebe nichts auf sinnloses Geschwätz. Telefonieren, jemanden mit einem Besuch belästigen: Das sind nur zeitraubende, schlechte Angewohnheiten von Menschen, die es nicht gelernt haben mit sich selbst allein zu sein, oder die sich vor ihren eigenen seelischen Abgründen fürchten und den Schatten der Vergangenheit. Solche Probleme habe ich nicht. Ich telefoniere nur äußerst selten und mit Sicherheit nicht in den frühen Morgenstunden. Auch meine Mitbewohner kennen sich mit den Regeln des Zusammenlebens bestens aus und würden ganz bestimmt nicht auf die Idee kommen mich so früh am Morgen rauszuklingeln.«
»Würden Sie denn als Täterin für uns in Frage kommen?
»Selbstverständlich. Motiv, Gelegenheit – alles da. Aber leider war ich es nicht. Zu gerne hätte ich meiner Tochter bei meinem nächsten Besuch erzählt, dass ich endlich die Courage aufgebracht habe, ihren Tod zu rächen! Oh, ja!«
Sie schniefte.
»Aber Sie werden Ihren Täter woanders suchen müssen.«
»Kennen Sie eine Familie Peters oder eine Frau Hagedorn?«
»Nein, gibt es einen Grund warum ich sie kennen müsste? Ich beschäftige mich nicht viel mit den Belangen anderer. Ich denke, dafür ist meine Zeit zu kostbar.«
Nachtigall sah sie nachdenklich an.
»Glauben Sie mir – es tut mir aufrichtig leid, dass ich nicht der Mörder bin. Seit dem Tod meiner Tochter trage ich mich mit der
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