Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
für die Zugfahrt geliehen. Natürlich habe sie gewusst, dass ihre Mutter sich Sorgen machen würde – das sei schließlich der Sinn der Übung gewesen. Hier steht, die Kollegin sei über das Auftreten des Mädchens sehr verärgert gewesen: total cool, hat auch beim Erkennungsdienst rumgenörgelt, ihre Mutter angemault. Feines Früchtchen.«
»Auf die bin ich gespannt.«
»Wo ist denn Michael heute Morgen?«
Skorubski zuckte mit den Schultern und meinte:
»Er hat dir den Zettel mit der Adresse dieser Freundin an deine Schreibtischlampe geklebt: Birkenweg in Madlow– also wird er wohl schon hier gewesen sein. Die Akte hatte er auch schon besorgt. – Vielleicht arbeitet er jetzt zeitversetzt. Manche der jungen Leute sind doch nachtaktiv.«
»Kriminalpolizei Cottbus, Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski«, stellte Nachtigall sie knapp der sportlichen Frau in den Vierzigern vor, die ihnen geöffnet hatte. »Frau Meister?«
»Ja, bitte kommen Sie herein.«
Die beiden Ermittler betraten ein modernes Haus mit weiß gefliesten Böden. An den ebenfalls weißen Wänden hingen großformatige, farbenprächtige Bilder und auf Steinsockeln saßen kleine Figuren aus hellem Material mit rundlichen Formen.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Wie Sie bestimmt schon gehört haben, wurde die beste Freundin Ihrer Tochter ermordet aufgefunden. Wir würden uns gerne mit Ihrer Tochter über Friederike Petzold unterhalten. Vielleicht kann sie uns ein paar wichtige Hinweise geben.«
»Moment. Es ist noch recht früh am Morgen und es sind Ferien. Ich fürchte, meine Tochter schläft noch. Es kann also ein bisschen dauern.«
Frau Meister lud die beiden Herren mit einer Geste ein sich im Wohnzimmer zu setzen und entfernte sich mit energischen Schritten.
»Um die Zeit schon in Kostüm und Stöckelschuhen. Die Haare frisiert, geschminkt – glaubst du, die hat gewusst, dass wir kommen?«
»Nein, sie wirkt so als wäre das ihr normales Outfit. Sportliches trägt sie bestimmt nur zum Sport. Und wahrscheinlich hat sie in ihrem ganzen Schrank nicht ein einziges Gammeloutfit«, antwortete Nachtigall und sah sich im Wohnraum um.
Das Zimmer war äußerst sparsam mit wunderbaren Einzelstücken möbliert. Eine schwarze, kubistische Ledercouch, ein runder, roter Ledersessel daneben und ein geschwungener Teppich mit plakativem Muster in schwarz und rot davor. Dominiert wurde der hohe Raum von einem riesigen, weiß verputzten Kamin. Große Glasscheiben schützten das honigfarbene, glänzende Parkett vor Funkenflug. Eine Wand gehörte dem Flachbildschirm in Kinoformat, an den anderen hingen, wie schon im Flur, moderne Bilder.
»Geld spielt hier keine Rolle.« Albrecht Skorubski nahm eine Figur von einem Glastischchen und versuchte die Signatur zu entziffern. »Schu – lz – e?«
Nachtigall trat zu ihm und fuhr mit dem Finger die üppigen Formen der liegenden Dame nach.
»Dr. Schulze. Er ist Oberarzt in der Gynäkologie am Klinikum. Inzwischen ist er schon überregional bekannt für seine Plastiken und Bilder.«
»Sie wollten zu mir?«
Zögernd betrat Lara das Wohnzimmer, als wäre ihr bewusst, wie unpassend sie in diesem Raum wirkte.
»Ja. Wir sind wegen des Todes von Friederike Petzold hier. Mein Name ist Nachtigall und dies ist mein Kollege Skorubski.«
Mit Schwung warf sie sich in den roten Sessel und zog die Füße, die in dicken Wandersocken steckten unter den Po. Einige Fransen aus dem sich aufribbelnden Saum der Jeans lösten sich und fielen unbeachtet zu Boden. Die Farbe passte nicht zum Teppich und wirkte so deplatziert, als würden die langen Fussel schreien.
»Friederike war deine beste Freundin?«
»Ja. Wir wollten in zwei Wochen zusammenziehen. Es war alles besprochen. Ich habe sogar schon ein paar Kisten gepackt«, erzählte das Mädchen leise und schwankend, während sie an den Ärmeln ihres bunten Blumenpullis zog, bis sie über die Hände reichten, als sei ihr kalt.
»Friederike wurde ermordet.«
Trotzig warf sie den Kopf zurück, die Haare in einem ausgewaschenen Blauton fielen fettig über ihre Schultern. Der reinste Protest, nur nicht so aussehen wie die Mutter, dachte Nachtigall bei sich.
»Und, haben Sie das Schwein etwa noch nicht? Ich denke unsere Polizei arbeitet so supereffektiv – so stand es jedenfalls kürzlich in der LR!«
»Du könntest uns helfen. Wir brauchen Informationen über Friederike, ihre Freunde, ihre Probleme.«
»Ich glaube nicht, dass ich von einem Polizisten geduzt werden
Weitere Kostenlose Bücher