Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
Mörderin hinter ihr her, auf dem ganzen Weg bis zum Supermarkt.«
»Aber das ist nie passiert.«
»Nein. Aber einmal haben die Flugblätter in ein paar Briefkästen in der Straße gesteckt und sogar hinter die Scheibenwischer der geparkten Autos geschoben. Da stand drauf: Hier wohnt eine Mörderin. Mit Foto von Friederike. Ganz schön krass, Alter, nicht?«
»Warum hat sie denn die Typen nicht angezeigt?«
»Weil sie dachte, dann wird alles nur noch schlimmer. Und die Bullen tun doch eh nix.«
Unverhofft klopfte es gegen die Scheibe.
Michael Wiener war froh, dass sein Auto elektrische Fensterheber hatte – mit dem pochenden Finger hätte er jetzt nicht gerne kurbeln wollen.
»Also – falls es nach dem Nagetierangriff noch von Bedeutung ist – der junge Mann, den Sie gebracht haben, liegt jetzt auf der Intensivstation. Unser diensthabender Arzt tippt auf Stechapfelsamen. Er meint, es war allerhöchste Eisenbahn. Und falls ihr anderen auch vorhabt von dem Zeug zu naschen, lässt er euch ausrichten: Finger weg! Die Wirkung ist unkalkulierbar, kleinste Mengen können schon ausreichen um daran zu sterben! Das ist kein Samen, den man einwerfen sollte! Alles klar?«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und stapfte davon.
Kurz bevor sie den Klinikeingang erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um. »Denken Sie an Ihren Termin zum Verbandswechsel morgen und halten Sie bitte alle Impftermine ein – mit Tollwut ist nicht zu spaßen.«
Mit einem unangenehmen Scheppern fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
Marlin senkte den Kopf und schwieg. Liebevoll schmiegte er seine Wange an Lucifer und streichelte zärtlich über den langen Rücken des Tieres. Michael Wiener sah, wie sich seine Lippen bewegten, so als würde er beten.
»Marlin und Groovi sind weg!«, rief Maria aufgeregt, als sie zu den anderen stieß.
»Cool down. Die sind bestimmt zum Arzt«, nuschelte Paul.
»Ach ja, ist möglich. Kann schon sein«, murmelte Maria ohne echte Überzeugung. Sie schob sich zu Jacob und Matze auf die Bank. Alle drei sahen bleich und übernächtigt aus.
»Kaffee? Croissant?«, fragte Nachtigall freundlich und hielt ihr einen Kaffeebecher und eine Papiertüte hin. Sein Blick glitt fragend über die Gesichter der Clique. Alle nickten leicht. Maria griff hungrig zu und reichte die Tüte weiter, während Couvier Kaffee anbot.
»Frühstück mit den Bullen, cool.«
»Und womit sollen wir bezahlen? Umsonst ist der Tod ...«
»... und der kostet dich das Leben!«, fielen die anderen in genervtem Chor ein. Den Spruch konnte wohl schon lange keiner mehr hören.
»Ej, nun kommt mal alle wieder runter«, beschwichtigte Paul. »Friederike wurde ermordet. Sie war unsere Freundin. Wenn ich das richtig verstanden habe, glaubt die Polizei, wir könnten womöglich den Täter gesehen haben, als wir von der Party weg sind. Wir werden uns unterhalten und mal sehen, ob uns was einfällt. Ganz ruhig, also.«
»Gut. Ich sage euch, was ich schon sicher weiß, und ihr füllt meine Lücken. Und diesmal ehrlich. Fair?«
»Okay. Dann fang an!«
Peter Nachtigall begann zu erzählen. Seine Stimme war angenehm sonor, der Kaffee wärmte in den kühlen Morgenstunden und schon bald fand die ungleiche Gruppe zu einem entspannten Miteinander.
»Ej, ihr wisst ja schon richtig gut Bescheid.«
»Kennt ihr auch Friederikes Freundin: Lara Meister?«
»Ja, klar. Aber die hat nicht zu uns gepasst. Wenn überhaupt ist sie immer nur mit Friederike gekommen. Wenn sie allein unterwegs war, waren wir Luft für sie.«
»Würdet ihr sagen, Lara war Friederikes beste Freundin?«
»Ja, in diesem Bereich schon«, war Katjas kryptische Antwort.
»Was heißt das: In diesem Bereich?«
»Friederike hatte viele beste Freunde. Sie streute sie breit. In der Werkstatt gab es einen jungen Lehrling, mit dem sie befreundet war, wenn es ihr sinnvoll erschien, ließ sie ein Häuflein Autonomer glauben, sie sei dick mit ihnen befreundet. Eine Zeit lang gab sie sogar Udo das Gefühl ihr Lebensmittelpunkt zu sein. Sie war sehr anspruchsvoll – ihre Freunde mussten ganz schön was abkönnen. Sie konnte auch mal ganz schnell jemanden abservieren, wenn sie was Interessanteres fand. Da hat sie nicht lange gefackelt. Friederike legte sich nicht gerne fest.«
»Und was ist mit euch?«
»Uns hat sie immer freundlich behandelt. Ich glaube für Friederike waren wir ein Feldversuch.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Eine soziologisch interessante Gruppe, die man
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