Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
Länge nach durchtrennte.
»Sind Sie in dem anderen Fall schon weitergekommen?«, wollte Dr. Pankratz wissen, während er den widerständigen Brustkorb auseinander bog, so dass er bequem hineingreifen konnte.
Ein knirschendes Geräusch erfüllte den Raum. Am Ende der Bewegung zuckte auch Dr. Pankratz zusammen. Einige Rippen brachen knackend. Peter Nachtigall schluckte.
»Es gibt so viele Leute, die ein Motiv gehabt hätten, die junge Frau zu ermorden – das ist unglaublich. Ständig sagen mir Zeugen: Um die war es nicht schade, oder: Ich hätte es gerne selbst gemacht, aber leider fehlte mir der Mut dazu. Und sie empfinden keine Scham!«
»Wenn man einen Menschen von Grund auf hasst, kann ich mir schon vorstellen, wie man so etwas äußern kann. Übrigens bei den Tierhaaren handelte es sich um Ratten- und Hundehaare.«
Sie schwiegen. Klar, dachte Nachtigall, Haare von Lucifer und Kaluza. Nur das penetrante Summen der Lüftung war zu hören neben dem unangenehmen Geräusch das entstand, wenn Dr. Pankratz mit dem Skalpell durch Gewebe schnitt.
»Dieses Opfer war eindeutig schwer krank. Mit Sicherheit konnte sie nur noch schlecht Treppen steigen. Wir haben ihren BMI mit 39 errechnet, das ist starkes Übergewicht. An den Organen sind ausgeprägte Verfettungen sichtbar. Die Leber ist gelblich verfärbt und deutlich vergrößert.«
Er wog die Leber abschätzend in der Hand. »Das sind bestimmt ungefähr 2500 g.«
Damit legte er das entnommene Organ in die Schale, die ihm der Kollege reichte, und drückte dabei mit seinem langen Zeigefinger die Oberfläche ein.
»Alles durchsetzt von Fett. Typischer Befund bei einem übergewichtigen Diabetiker«, erläuterte Dr. Pankratz, wie es Nachtigall schien, mit wachsender Begeisterung.
Der Kollege stellte das Gefäß auf die Waage und trug das Ergebnis auf einem Formular ein.
»Am Herzen sind auch große Fettablagerungen, im großen Gewebe und am Darm hängt es frei in den Bauchraum. Und hier, werfen Sie mal einen Blick in den Douglas’schen Raum.« Dabei zeigte er auf den tiefsten Punkt im Bauchraum.
Unvermittelt griff er dann nach einer Schöpfkelle und versenkte sie im Bauch. Die entnommene Flüssigkeit ließ er in eine Schale fließen.
»Was ist das?«, fragte Nachtigall entsetzt mit völlig entgleister Stimme.
»Das ist Aszites. Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum. Ein deutlicher Hinweis auf eine Herzinsuffizienz. Das Pankreas ist atrophisch, kaum noch aufzufinden. Auch das spricht dafür, dass sie Diabetikerin war«, erklärte der forensische Pathologe unbeeindruckt.
»Sie litt an Varikosis – an den Unterschenkeln sind neben den Krampfadern auch zwei nässende, schmierig belegte, offene Stellen. Ulcera crura. Das war fachmännisch versorgt. Entweder von einem Arzt oder einer Schwester.«
Schwester Hilde. Bestimmt hatte sie sich darum gekümmert.
»Ihr Herz weist deutliche Anzeichen einer chronischen Insuffizienz auf. Das Gewicht ist mit circa 1200g doppelt so hoch wie normal«, fuhr Dr. Pankratz fort.
Nachtigall sah zu, wie er das Herz, das beinahe Kugelform hatte, in eine weitere Schale legte. Dann griff Dr. Pankratz wieder nach seinem Skalpell, schnitt das Organ auf und wies auf die Wand des linken Ventrikels.
»Deutlich verdickt. Der Ventrikel ist dilatiert und auch der rechte Vorhof ist vergrößert.«
»Und der Todeszeitpunkt?«
»Ja, der Todeszeitpunkt«, murmelte der Gerichtsmediziner vor sich hin und öffnete mit einem Schnitt den Magen.
Nachtigall rang eine Welle von Übelkeit nieder, als er die halbflüssige Masse aus dem glatten Muskelschlauch gleiten sah.
»Mittagessen und Kuchen. Nur noch Reste. Sie hatte sich wohl erbrochen, nicht wahr?«
Peter Nachtigall nickte vorsichtig, um nicht erneut die Übelkeit zu wecken.
»Die bräunliche Flüssigkeit sieht mir nach Kaffee aus. Wir analysieren das noch genauer. Der Körpertemperatur nach, die der Kollege bei seinem Eintreffen gemessen hat, tippe ich auf einen Todeszeitpunkt zwischen vierzehn Uhr und sechzehn Uhr gestern Nachmittag.«
»Michael Wiener war kurz vorher noch bei ihr und hat sie zu dem anderen Fall befragt. Da ging es ihr noch gut.«
»Ja, das kann schon sein. Hat er denn mit ihr Kuchen gegessen?«
»Davon hat er nichts erwähnt.«
»Michael meinte, wenn sie jemand besuchen wollte, warf sie ihm den Wohnungsschlüssel zu und derjenige betrat das Haus und die Wohnung.«
»Ja, klar. Bewegung ist ihr sicher unendlich schwer gefallen. Und sie war auch schon achtundsiebzig Jahre
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