Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
alt. Das heißt, neben den zu erwartenden Altersbeschwerden hatte sie zusätzliche Probleme durch ihr Gewicht und die Herzschwäche. Da war es viel bequemer die Besucher kommen zu lassen, als selbst zur Tür zu gehen und zu öffnen.«
»Die Schwester vom Pflegedienst, die sie auch gefunden hat, besaß selbst einen Schlüssel. Als ich von der Streife alarmiert wurde, stritt sie sich mit dem Hausarzt über die Todesursache. Deshalb ist sie jetzt hier und nicht beim Bestatter.«
»Welch ein Glück«, kommentierte Dr. Pankratz trocken und Peter Nachtigall sah ihn neugierig an. Sollte diese Aussage etwas Konkretes bedeuten?
Doch der Gerichtsmediziner arbeitete zügig weiter und führte den Satz nicht weiter aus.
Der Sektionsassistent kam herein und reichte Dr. Pankratz einen Computerausdruck. Der Gerichtsmediziner warf einen kurzen Blick darauf, nickte dann und der Assistent legte das Blatt auf einem kleinen Tischchen ab und verschwand.
»Sonst noch was?«
»An den Händen haben wir Arthrose festgestellt. Kein Überraschungsbefund. In ihrem Mund fanden wir Spuren des Erbrochenen. Aspiriert hat sie wohl nichts davon, und hier«, er deutete auf sein aktuelles Untersuchungsfeld, »die oberen Luftwege sind frei.«
»Gut. Also erstickt ist sie nicht.«
»Nein. Sie wurde umgebracht.«
Peter Nachtigall sah direkt in Dr. Pankratz leuchtende Augen. Schalk blitzte ihm entgegen.
»Wie?«
»Die Analyse habe ich gleich machen lassen, als ich herkam. Das Ergebnis hat uns der eifrige, junge Mann gerade eben hereingebracht. Sie hat einen Digitoxinspiegel von 48, 2 ng/ml. Jemand hat sie vergiftet.«
Also doch! Nachtigall gönnte sich einen Moment der Befriedigung.
»Ist das Zeug schwer zu beschaffen?«
»Nein, gar nicht. Wenn man im Bekanntenkreis oder in der Verwandtschaft jemanden hat, der dieses Medikament nehmen muss, kann man es sicher einfach entwenden. Meist wird das dem Patienten gar nicht auffallen, die wenigsten haben einen genauen Überblick, kaum einer könnte genau sagen, wie viele der Tabletten noch in der Packung sind. Eine Pflegekraft hätte es natürlich noch leichter, oder ein Arzt. Es ist ein sehr gebräuchlicher Wirkstoff.«
»Woran ist sie also gestorben und wie wirkt das Gift? Lähmt es die Atmung?«
»Nein. Es lässt das Herz völlig aus dem Rhythmus schlagen. Es rast und stolpert und flimmert und dann stirbt der Mensch.«
»Geht das schnell? Oder musste sie lange leiden?«
»Es geht relativ schnell. Zwischen dreißig Minuten und zwei Stunden. Ihr wurde wahrscheinlich schwindlig. Sie taumelte und brach zusammen. Dabei wird wohl die Verletzung am Hinterkopf entstanden sein. Etwa fünf Minuten später war sie hirntot.«
»Nur gut, dass diese Schwester so misstrauisch war.«
»Nur gut, dass ein gewisser Hauptkommissar unbeirrt seiner Eingebung folgend dafür gesorgt hat, dass dieses Mordopfer auch als solches erkannt wurde.«
»Zwei Tote in der Breitscheidstraße. Dabei ist das eigentlich eine ruhige Gegend. Möglicherweise hängen die beiden Morde zusammen«, überlegte Nachtigall laut.
»Vielleicht hat sie in der fraglichen Nacht was beobachtet.«
»Hm. Aber woher kann der Täter gewusst haben, dass er gesehen wurde? Ich meine, die Leute, die in der Straße wohnen, wissen natürlich, dass Frau Markwart sie ständig im Visier hatte. Aber ein Fremder?«
»Einen Kurzbericht kriegen Sie noch heute. Die weiteren Analyseergebnisse kommen erst in ein paar Tagen und werden natürlich prompt nachgeliefert.«
Dr. Pankratz nahm Peter Nachtigall die Schutzkleidung ab.
»Was haben Sie denn da?«, fragte er plötzlich in scharfem Ton.
Überrascht folgte Nachtigall dem Blick des Gerichtsmediziners und tastete an seinem linken Oberarm entlang.
»Keine Ahnung. Ich hab’s schon eingecremt. Das kommt bestimmt von der Hitze.«
»Nein, kommt es sicher nicht. Damit müssen Sie zum Arzt gehen. Eventuell ist es eine ernste Sache.«
»Hautkrebs?«
»Das kann ich nicht sagen. Dazu muss man sich eine Probe genauer ansehen. Manchmal sieht es nur gefährlich aus und ist dann harmlos. Aber darauf würde ich mich lieber nicht verlassen – nicht bei dieser Form der Erkrankung«, sagte er eindringlich
»Ja, schon gut. Ich werde mich darum kümmern.«
»Dazu rate ich dringend. Mit dem modernen, schwarzen Tod ist nicht zu spaßen!«
Damit wandte Dr. Pankratz sich um und ließ einen verstörten Hauptkommissar zurück.
»Wie lange soll ich eigentlich hier noch meine Zeit verplempern?«, schrillte die Stimme der
Weitere Kostenlose Bücher