Seelenraub
eines Mannes wie ein übergroßer Pilz direkt über dem Bühnenboden auftauchte. Nach und nach wuchs der Rest von ihm empor, bis er schließlich ganz zu sehen war. Der Mann war etwa so alt wie ihr Vater und hielt einen Schädel in der rechten Hand. Er blinzelte heftig im hellen Scheinwerferlicht. Nach einer unbehaglichen Pause begann er, mit stockender Reibeisenstimme zu sprechen.
»Ach, … armer Yorick.«
Mort stöhnte.
»Ich kannte ihn … gut …«, intonierte der tote Mann und zitierte Shakespeare falsch. Die Stirn nachdenklich in Falten gelegt, als bräuchte er jede Gehirnzelle, um sich die Worte ins Gedächtnis zu rufen. »Ein Bursche von … von unendlichem … äh … Humor. Ha! Ha!« Dann hob er den Schädel in die Höhe und warf einen nervösen Blick auf die Tische, die ihm am nächsten standen. Jemand lachte, und der arme Kerl hörte es.
Der Conférencier überquerte die Bühne. »Dies, meine Damen und Herren, ist Herbert. In seinem vorigen Leben arbeitete er als Revisor bei der Finanzbehörde. Sein Wissen über Unternehmenssteuern ist sein größter Vorzug. Wenn Sie vermeiden wollen, sich wegen ein paar Millionen Dollar mit Vater Staat in die Haare zu bekommen, dann ist das der Reanimierte für Sie.« Der Moderator hielt inne, dann rief er laut: »Höre ich ein erstes Gebot?«
»Zehntausend«, rief jemand.
»Elf«, sagte sofort jemand anders.
Sie werden diesen Typ tatsächlich kaufen
. Riley hatte gewusst, dass dieser Moment kommen würde, aber es persönlich zu erleben, das war zu viel. Als sich ihr der Magen umdrehte, presste sie beide Hände gegen ihren Bauch.
»Toilette?«, flehte sie.
Mort erklärte ihr den Weg, und sie floh die Stufen hinauf. Sie konnte immer noch die Gebote hören, als sie die Tür zur Damentoilette aufstieß.
»Achtzehntausend!«
Rileys Magen entschied sich, doch nicht zu rebellieren, also benetzte sie nur ihr Gesicht mit kaltem Wasser und ließ es an der Luft trocknen. Als sie sich im Spiegel betrachtete, traf sie ein schauderhafter Gedanke.
Wie würden sie ihren Vater anpreisen?
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Würden sie ihn wegen seines Wissens um den Bürgerkrieg wollen oder vielleicht als Lehrer für ihre Kinder?
Orgelmusik setzte ein, dann ein Donnern und anschließend Applaus. Herberts Auktion war vorbei. Riley ging zurück zu ihrem Platz und entschuldigte sich, als sie über Morts Füße stolperte.
Der endgültige Verkaufspreis leuchtete in hellen roten LED s auf den Grabsteinen auf. Fünfundachtzigtausend Dollar.
Mit dem Tod lässt sich immer Geld verdienen
. Der Mann im Zelt mit den Untoten hatte recht gehabt.
»Und wer bekommt das alles?«, fauchte sie. »Ihr Typen?«
Mort schüttelte den Kopf. »Die Familie erhält fünfundachtzig Prozent, steuerfrei.«
»Sie haben dem zugestimmt? Wie kann jemand so etwas tun?«
»Herbert wollte es so.« Lady Torin ließ hinter ihnen ihre frostige Stimme hören. »Er wollte seiner Frau und seinen Kinder so viel finanzielle Sicherheit wie möglich bieten, selbst nach seinem Tod.«
»Und was passiert in einem Jahr? Endet er dann in einer Mülltonne?«
Die Nekromantin beugte sich so dicht vor, dass Riley ihren Whiskyatem riechen konnte.
»Meine Leute enden nicht in Mülltonnen, Miss Blackthorne. Meinen Leuten wird jeder Respekt entgegengebracht, den sie verdienen. Wage es nicht, mir zu unterstellen, ich würde mich nicht um sie kümmern, verstanden?«
Riley nickte benommen. »Tut mir leid. Ich bin …«
»Du benutzt deinen Kopf nicht, sonst würdest du dich nicht mit mir anlegen.«
»Hey, warum nicht? Ich habe schon Ozymandias beleidigt. Warum nicht gleich einen Rundumschlag machen?«
Was ist heute Abend bloß mit meinem Mundwerk los?
Sie verkrampfte sich, wartete auf den sengenden Stoß Magie. Vielleicht würde sie ihr einen pelzigen Schwanz verpassen. Womöglich in derselben Farbe wie ihre Haare.
Stattdessen hörte sie ein ironisches Lachen. »Du lebst anscheinend gern gefährlich.«
Der nächste Wiederbelebte war ein junger Mann, nur wenige Jahre älter als Riley. Er hielt ein Schwert in der Hand, schien aber keine Ahnung zu haben, was er damit anstellen sollte. Auf der Bühne herumstapfend, deklamierte er weitere falsche Shakespearezitate. Er ging für fünftausend weg, verkauft wegen seiner Fähigkeiten als Gärtner. Als sie beim siebten Untoten angelangt waren, wünschte Riley sich, sie wäre volljährig.
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