Seelenriss: Thriller
schürzte die Lippen und konnte sich ein erneutes Grinsen nicht verkneifen.
»Wir haben schon seit längerem keinen Kontakt mehr, und ich war der Meinung, dass Matthias noch immer in Köln lebt«, fügte Lena seufzend hinzu. »Und nun praktiziert er offenbar in Berlin.« Ende der Durchsage , setzte sie im Geiste hinzu.
Die Aufzugstür schloss sich, und einen Moment lang fiel kein Wort zwischen ihnen.
»Professor Wallau betreibt eine Privatpraxis, und ich frage mich, wie eine Maskenbildnerin sich so einen teuren Psychiater leisten kann«, wechselte Lena das Thema.
»Ach ja, das hätte ich fast vergessen.« Belling räusperte sich und rieb sich die verschwitzte Stirn. »Ann-Kathrin Weiß hat vor einigen Monaten ein hübsches Sümmchen von ihrer verstorbenen Großtante geerbt.«
»Verstehe, das erklärt natürlich einiges«, meinte Lena und starrte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Sonst noch etwas, das Sie mir vorenthalten haben?«
Belling wirkte beschämt. Er antwortete nicht sofort, hob die Schultern und senkte sie wieder. »Schon gut, ich bekenne mich schuldig in allen Anklagepunkten. Sie haben gewonnen, Peters. Wollen Sie mich jetzt verhaften?«
Lena zog einen Mundwinkel hoch und schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich will meinen Kollegen zurück.« Sie stupste ihm mit dem Zeigefinger an die Schulter. »Und zwar genau den, den ich früher einmal hatte, als er noch nicht andauernd diese Anrufe und SMS von wem auch immer bekommen hat.«
Er seufzte auf. »Ist angekommen«, brachte er kleinlaut hervor und wechselte das Thema. »Würde mich nicht wundern, wenn unser feiner Pater versucht hat, sich diese Erbschaft ebenfalls unter den Nagel zu reißen«, brummte er, als der Aufzug sich mit dem schon vertrauten Rattern und Quietschen im Erdgeschoss öffnete. »Ich meine, was, wenn dieser Pater nicht nur mit Lynn Maurer, sondern auch mit Ann-Kathrin Weiß in Kontakt gestanden hat?«, überlegte Belling und steuerte auf den Ausgang zu. »Er hat ihr die Beichte abgenommen und dabei ganz nebenbei erfahren, dass sie eine beträchtliche Summe geerbt hat.«
Lena blieb eine Sekunde wie angewurzelt im Aufzug stehen. »Aber es gibt keinerlei Indizien dafür, dass Ann-Kathrin Weiß mit Sonnenberg in Kontakt gestanden hat.« Sie eilte Belling hinterher.
Er blieb stehen und drehte sich nach ihr um. »Sagen wir: Noch nicht …«, grinste er und hielt ihr die Tür zur Straße auf.
Lena setzte ihre Sonnenbrille auf und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Sie hielt nicht viel von Bellings Theorie, konnte aber auch nicht ausschließen, dass er damit richtiglag. Unvermittelt kam ihr die finster dreinblickende Greisin in den Sinn, die ihr neulich in der St.-Ludwig-Kirche diese seltsamen Dinge zugeraunt hatte. »Der Teufel hat Besitz von ihm ergriffen«, hatte sie gesagt, ehe sie aus der Kirche gehastet war. Lena fragte sich, ob die alte Dame dabei von Pater Sonnenberg oder aber von jemand anderem gesprochen hatte. »Wie spät ist es?«, fragte sie, als sie die Straße überquerten und auf Bellings Peugeot zuliefen. Lena hatte ihre Vespa gleich dahinter abgestellt.
»Kurz vor sechs.«
»Dann fahre ich noch zu Matthias in die Praxis«, entschied sie.
Belling kratzte sich mit seinem Autoschlüssel am bartstoppeligen Kinn. »Also wenn es in Ordnung ist, dann …«
»Klar«, kam Lena ihm zuvor. »Gehen Sie ruhig, holen Sie Ihre Tochter ab.« Es war ihr ohnehin lieber, ihrem Exfreund nach allem, was damals geschehen war, alleine zu begegnen.
13
Der metallische Geschmack von Blut lag ihm im Mund, als Kai Hübner sich keuchend nach vorne beugte, um mit dem Kinn die Klinke jener Tür herunterzudrücken, durch die er sich die Flucht aus dieser Kammer des Grauens und dem Haus seines vollkommen wahnsinnig gewordenen Nachbarn erhoffte. Doch sosehr er es auch mit größter Anstrengung versuchte, die Tür ließ sich partout nicht öffnen. Verdammt! Hübner erstarrte, als er das Klicken eines Feuerzeugs vernahm. Kalter Schweiß rann ihm den Rücken hinunter, als er begriff, woher das Klicken kam – von direkt hinter ihm. Gütiger Gott! Der Geruch von Zigarettenrauch wehte durch die modrige Luft.
»Gib dir keine Mühe, du kommst hier nicht raus …«, drang die vertraute Stimme seines Nachbarn durch das Dunkel der Kammer, und mit einem Schlag wurde all seine Hoffnung, seinem Schicksal doch noch zu entkommen, zunichtegemacht. Kai Hübner wagte kaum noch zu atmen, während er sich vorsichtig auf den Stuhl zurücksinken ließ.
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