Seelenriss: Thriller
Er spürte, wie sich ihm der Magen zusammenzog, als er hörte, wie sein Nachbar um ihn herumschritt und unmittelbar vor ihm stehen blieb.
Plötzlich flammte eine Taschenlampe auf und zeigte auf Hübners Gesicht. Das Licht stach ihm in den Augen. »Ich schwöre es, die … die Tür zum Keller stand offen«, ächzte er und blinzelte gegen das Licht an. »Und dann, dann …«
»… dann hast du in meinem Hobbykeller diese Fotos gesehen«, hörte er seinen Nachbarn hinter der Taschenlampe sagen, während dieser auf ein paar Polaroidbilder in seiner Hand leuchtete. Sie zeigten die mit Säure entstellten Gesichter zweier Frauen.
Hübner nickte schwach. Er zuckte abrupt zusammen, als er neben dem Lichtstrahl der Taschenlampe das Messer in der Hand seines Nachbarn erblickte. Ihm wurde kotzübel. »Hey, Mann, was … was hast du vor?«, stammelte er. »Ich … ich schwör’s dir, Kumpel – ich werde dein kleines Geheimnis ganz bestimmt niemandem verraten … Ich verschwinde für immer aus deinem Leben … Becky und ich, wir … wir verkaufen das Haus … und … ziehen um! Oder wir … wir wandern aus oder … alles, was du willst, Kumpel!«
Der Mann im Kapuzenpullover schenkte ihm ein schäbiges Grinsen. »Ich denke nicht, dass das notwendig sein wird«, sagte er mit einer Selbstverständlichkeit, die Hübners Herzschlag kurzzeitig gefrieren ließ.
Mit vor Angst geweiteten Augen blickte Hübner auf. »Wie … wie meinst du das?«
Sein Nachbar sah ihn an, als beleidige ihn die Frage. »Das erfährst du noch früh genug«, lachte er. Es war das Lachen eines Wahnsinnigen. Er holte aus und schlug Hübner mit dem Messer ins Gesicht. Immer und immer wieder, bis Hübner schwarz vor Augen wurde. Weiße Blitze tauchten vor seinen Augen auf, als ihn die Wucht des letzten Schlags samt Stuhl umwarf. Als er seine Lider wieder öffnete, kauerte er seitlich auf dem staubigen Boden. Sein Gesicht brannte wie Feuer, und warmes Blut strömte aus den klaffenden Schnittwunden.
Hübner kniff die Augen zusammen und sah zu, wie sein Peiniger das Messer wegsteckte und die Taschenlampe auf ihn gerichtet im Regal postierte. Dann nahm er ein Einmachglas heraus und öffnete es mit einem leisen Klacken. Was zum Teufel …?
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, tunkte sein Nachbar zwei Finger in das Glas, kam auf ihn zu, bückte sich zu ihm herunter und schmierte ihm eine esslöffelgroße Portion klebrigen Gelees auf die nackten Schultern. Dann auf die behaarte Brust, an den Hals und in sein lädiertes Gesicht. »Mund auf!«, befahl er Hübner.
Unter Schmerzen öffnete Hübner den Mund. »Scheiße, Mann, was … was soll das werden?«, ächzte er, ehe der Mann ihm die gallertartige Masse einflößte und dann hier und da einen weiteren Klecks – wie Sonnencreme – auf seinen Armen und Oberschenkeln verteilte. Als er damit fertig war, stellte er das Glas zurück ins Regal. Halb verschwommen sah Hübner, wie er sich sein Messer schnappte und sich zu ihm herunterbeugte. Hübner begann zu zittern und atmete keuchend unter flachen Stößen. Und ehe er es sich versah, packte ihn dieser geistesgestörte Sadist von einem Nachbarn am Schopf und stopfte ihm einen Knebel in den Mund.
»Gott, nein! Ich flehe dich an, das kannst du nicht machen!«, winselte Hübner und wand sich unter dem eisernen Griff. Doch seine Bemühungen waren vergebens.
»Mach’s gut … ich bestelle Becky schöne Grüße von dir, Kumpel .« Der Mann betonte das letzte Wort wie ein Schimpfwort. Und ehe Hübner bis drei zählen konnte, hatte sein Nachbar sich abgewandt und ihn in der Kammer zurückgelassen.
Dann hörte er es auf einmal wieder: ein leises, unheilvolles Fiepen. Ratten! Die Laute kamen aus der Ecke. Plötzlich aus der anderen! Waren jetzt ganz dicht an seinem Ohr. Hübner reckte den Hals, und sein Blick schnellte durch das Halbdunkel zum Regal. Zur Truhe. Zum Spalt in der Bretterwand. Großer Gott, sie waren überall! Der Atem blieb ihm in der Kehle stecken, als er im hereinfallenden Lichtschein Zeuge wurde, wie eine ganze Schar von Ratten zum Vorschein kam. Es wimmelte hier unten nur so von diesen Viechern! Panisch riss Hübner den Kopf nach allen Seiten herum. Er musste jede einzelne von ihnen im Auge behalten, doch es waren zu viele! Er wand sich auf dem Boden und versuchte, das Gelee auf seiner Haut irgendwie loszuwerden, während die Ratten wie hungrige Bestien auf ihn zugekrochen kamen.
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Lena zwang sich, sich auf die Straße zu konzentrieren, während sie
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